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Wurde der Datenschutz mißbraucht?

■ Die Gedenkfeiern zur Befreiung in Sachsenhausen und Ravensbrück haben womöglich ein juristisches Nachspiel

Berlin (taz)– Im nachhinein wird Alwin Ziel, SPD-Innenminister von Brandenburg, doch noch ganz kleinlaut. Stellt sich heraus, daß seine Polizisten am vergangenen Sonntag Besuchern zu unrecht den Zugang zu den Gedenkveranstaltungen in Ravensbrück und Sachsenhausen verwehrt haben, „würden die nachteiligen Folgen für die Betroffenen außerordentlich bedauert“. Auch ist er bereit, „etwaige materielle Schäden zu regulieren“. Es könnte sein, daß Ziels Beamte zu eilfertig waren, als sie 127 Personen mit einem Platzverweis nach Hause schickten.

Vor allem ist unklar, welche „Erkenntnisse“ den Beamten vorlagen, anhand derer sie die Platzverweise verfügten. Hartmut Bosch, zuständiger Polizei-Abteilungsleiter bei Ziel, beruft sich auf Erkenntnisse von Verfassungsschutz und Polizei. An den Kontrollpunkten hätten „szenekundige Beamte“ gestanden, die „nach Augenschein“ entschieden, wer zurück mußte. Befragt, welche Kriterien für die Gesichtskontrolle galten, beruft er sich auf „persönliche Bekanntschaft und Äußerlichkeiten“. Seit wann treten Zivis als Freunde in Erscheinung? Hans- Christian Ströbele, der die 33 Zurückgewiesenen aus Berlin vertritt, vermutet, daß die Brandenburger sich direkt in die Computer anderer Polizeibehörden einklinken durften und dort nachfragten. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre ein Datenmißbrauch Grundlage für die Polizeiaktion gewesen. Ströbele will den Fall vom Datenschutzbeauftragten in Brandenburg klären lassen. Ein positives Ergebnis brächte Alwin Ziel in die politische Zwickmühle. Der Innenminister hätte den Datenschutz verletzt.

Bereits am Montag hatten taz- Recherchen ergeben, daß der Bus einer Wuppertaler Studentengruppe den Brandenburger Behörden vom Düsseldorfer Landeskriminalamt angekündigt worden war. Einer der Studenten ist sicher, daß Wuppertaler Zivilbeamte ihren brandenburgischen Kollegen assistierten, als der Bus gestoppt wurde. Was Hartmut Bosch vom Potsdamer Innenministerium heftig bestreitet.

Der Berliner Grüne Steff Ulbrich sieht die Zurückweisungen in engem Zusammenhang mit den Vorbereitungen seiner Gruppe um den 7. Mai. An dem Tag soll ein Gedenkgang durch das jüdische Viertel vor der Neuen Wache in einer Kundgebung enden. Das hat die Polizei bereits untersagt; man befürchte einen „Angriff Linker“ auf die Neue Wache. Eine „Nestbeschmutzung“ sei das, heißt es in der Verbotsverfügung.

Nur einer scheint sich nicht wohl zu fühlen bei soviel polizeilichen Eingriffen ins Gedenken. Steffen Reiche, sozusagen der Hausherr der zwei Gedenkfeiern am vergangenen Sonntag, rief den Studenten Christoph Witzerat an, der nicht weiter als bis zum S-Bahnhof Oranienburg kam.

„Ich bin der Kultusminister und möchte mich wegen der Abweisung entschuldigen“, sagte Steffen Reiche. Annette Rogalla

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