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Gegen die Lüge in der Geschichte

■ Polnischer Außenminister: Unter Deutschen wie Polen waren sowohl Opfer als auch Täter

Bonn (taz) – Der polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski hat gestern zum 50. Jahrestag des Kriegsendes deutliche Zeichen zur Aussöhnung gesetzt und damit neue Möglichkeiten für die deutsch- polnischen Beziehungen eröffnet. In der Gedenkstunde von Bundesrat und Bundestag erinnerte Bartoszewski nicht nur an die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschland in Polen und ihre Opfer, sondern auch an das Leid vieler Deutscher während der Vertreibungen nach dem Kriegsende. Wie auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und Johannes Rau als Präsident des Bundesrats sprach der Außenminister des Nachbarstaates von dem besonderen Stellenwert der deutsch- polnischen Beziehungen.

Bartoszewski erinnerte an das Schicksal seines Landes, das als erstes von deutschen Truppen im Zweiten Weltkrieg überfallen worden war, von dessen Bevölkerung aber viele hunderttausend Menschen den ganzen Krieg über gegen die Deutschen gekämpft hatten. Erst das „entschiedene polnische Nein gegenüber Hitler“ habe den Eintritt Großbritanniens und Frankreichs in den Krieg bewirkt. Ohne dieses Nein hätten die Polen „aufgehört, ein Subjekt in der europäischen Politik zu sein“.

Der Außenminister ließ keinen Zweifel daran, daß sein Land sich der westlichen Wertegemeinschaft zugehörig fühlt, von der es die Politik Stalins nach 1945 zu lösen versucht habe. Von den deutschen Partnern forderte Bartoszewski nachhaltig Unterstützung bei der Einbindung Polens in die westlichen Sicherheitsstrukturen und die Europäische Union. Die Deutschen hätten ihre „Mittellage“ zwischen Ost und West nach dem Ende des Krieges überwunden, sagte er: „Daher müssen sie auch besser als jeder andere die gegenwärtigen Bemühungen Polens um die Integration in den Westen verstehen.“

Vor seiner Abreise nach Bonn hatte Bartoszewski am Donnerstag kritisiert, bei den Gedenkfeiern zum Ende des Zweiten Weltkrieges habe Deutschland eine „historische Chance“ in den deutsch- polnischen Beziehungen nicht genutzt. In Polen war es als Demütigung empfunden worden, daß Kohl zur zentralen Gedenkfeier in Berlin am 8. Mai nur die Siegermächte und nicht auch den polnischen Präsidenten Lech Walesa geladen hatte.

Bartoszewskis Klage, die deutsche Seite habe keine Initiative ergriffen, um die „historische Chance für die Hebung des moralisch-politischen Dialogs auf eine höhere Stufe zu nutzen“, war offensichtlich als Signal an jene polnischen Kreise gedacht, die der Aussöhnung mit Deutschland kritisch gegenüberstehen.

Indirekt, aber deutlich nahm Bartoszewski gestern Stellung zum innerdeutschen Streit um die Bedeutung des 8. Mai. Aus den bitteren Erfahrungen seiner Geschichte als Widerstandskämpfer gegen Nationalsozialisten und Kommunisten habe er sich für immer gegen Haß und Diskriminierung entschieden, „wie auch gegen intellektuelle Gewalt, wozu auch die Lüge in der Geschichte gehört und der Mangel an Toleranz gegen Andersdenkende“. Er habe Verständnis für den persönlichen Schmerz von Deutschen über den Verlust von Angehörigen im Krieg, aber nicht für ein „Schmerzgefühl wegen des verlorenen Krieges“.

Bartoszewski hatte ausdrücklich angekündigt, vor dem Bundestag werde er nur als Außenminister auftreten und sich nicht im Namen seiner Nation oder des polnischen Staates äußern. Gestern wurde auch bekannt, daß Bundeskanzler Kohl auf Einladung von Ministerpräsident Jozef Oleksy vom 6. bis 8. Juli Polen besuchen wird. Hans Monath Seiten 5 und 10

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