piwik no script img

■ Das PortraitOpfer chinesischer KP-Intrigen?

Nur wenige Tage nach dem mysteriösen Tod eines stellvertretenden Bürgermeisters von Peking ist am Wochenende überraschend der Parteisekretär der chinesischen Hauptstadt zurückgetreten. Der 64jährige Chen steht unter Korruptionsverdacht.

Chen war 1979 zum stellvertretenden Bürgermeister ernannt worden. 1987 stieg er dann zum Bürgermeister auf. In dieser Funktion spielte er im Jahr 1989 bei der blutigen Niederschlagung der Studentenbewegung eine wichtige Rolle. Nach den Ereignissen gab Chen den offiziellen Bericht der chinesischen Parteiführung über den „konterrevolutionären Putsch“ bekannt.

Chen war vor mehr als 40 Jahren in die Hauptstadt gekommen, um an der Peking-Universität zu studieren. 1949 trat er der Kommunistischen Partei Chinas bei und machte in der folgenden Zeit im Pekinger Parteikomitee Karriere. Seit den fünfziger Jahren hat er engen Kontakt zum damaligen Stadtparteisekretär Peng Zhen. Dieser nahm in den achtziger Jahren nach Deng Xiaoping und Chen Yun den dritten Platz in der Parteihierarchie ein, wo er als der reformfeindlichste unter ihnen galt.

Chen Xitong Foto: Reuter

1992 erreichte Chen Xitongs Aufstieg seinen Höhepunkt: Er wurde in das Politbüro aufgenommen und zum Pekinger Parteisekretär befördert. Ein nützlicher Faktor war dabei, daß seine Heimatstadt in der Provinz Sichuan liegt, nur wenige Kilometer von Deng Xiaopings Geburtsort entfernt. Chen ist das wichtigste Politbüromitglied aus Dengs Heimatprovinz. Ein schwerer Rückschlag für ihn war 1993 das Scheitern der Bewerbung Pekings um die Austragung der olympischen Spiele. Chen war damals Vorsitzender des Bewerbungskomitees und damit direkt für das Debakel verantwortlich.

Unklar ist bisher, ob Chen selbst in die jetzt untersuchten Korruptionsfälle der Pekinger Verwaltung verwickelt ist oder nur Opfer von Fraktionskämpfen wurde. Auffällig ist jedoch, daß der als sein Nachfolger angekündigte Wei Jianxing der „Shanghai-Fraktion“ des Präsidenten Jiang Zemin und des Sicherheitschefs Qiao Shi nahesteht. Die Shanghaier Gruppe dominiert schon das Politbüro und will nun offenbar auch die Kontrolle über die Hauptstadt gewinnen. In den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob Chen Xitong die Unterstützung von Deng Xiaoping (90) und Peng Zhen (92) verloren hat oder ob die beiden nicht mehr in der Lage sind, ihn zu stützen. Thomas Kampen

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen