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■ TischtennisAlles Spaghetti

Tianjin (dpa/taz) – Wohlgerüstet reiste Jörg Roßkopf zur Tischtennis-Weltmeisterschaft ins chinesische Tianjin. „Ich bin nicht der König des chinesischen Essens“, war ihm bereits 1984 aufgegangen, als er in China einige Trainingslager absolvierte, folgerichtig befanden sich nun haufenweise „Spaghetti und andere Nudelgerichte“ in seinem Gepäck. Leider hat der Star des deutschen Pingpong- Teams vergessen, anderen Mitgliedern der Delegation von seinen Erkenntnissen Mitteilung zu machen. Frauen-Bundestrainer Dirk Schimmelpfennig etwa reiste gänzlich spaghettilos ins Reich der gesottenen Hühnerkrallen und ist nun den kulinarischen Attacken der Gastgeber ausgeliefert: „Die meiste Zeit benutze ich mein Messer, um etwas an den Tellerrand zu schieben.“

Damit nicht genug. Auch wer über den Tellerrand hinaussieht, begegnet in Tianjin allerlei Ungemach. „Nichts klappt, es gibt nur Polizisten und Soldaten“, wetterte ein niederländischer Besucher, dem trotz einer teuren Eintrittskarte der Zutritt zur Eröffnungsfeier (mit Radetzkymarsch und Lasershow) verwehrt wurde. Die Sicherheitsmanie der örtlichen Behörden sorgt zudem für permanente Verzögerungen durch Polizeisperren und langwierige Kontrollen. „Die Organisation ist halt asiatisch. Darauf müssen wir uns einrichten“, resümiert Dirk Schimmelpfennig, hart an der Grenze zum Rassismus. Chinakenner Jörg Roßkopf hingegen sieht auch Positives: „So sauber und herausgeputzt habe ich hier noch keine Stadt gesehen.“ Ein Eindruck, der auch damit zusammenhängt, daß um die unansehnlichen, armen Viertel einfach Steinmauern gezogen wurden.

Sauer sind die 94 ausländischen Journalisten, die sich mit 826 chinesischen Kollegen 40 Telefone und 180 Plätze teilen müssen, zudem für eine Telefax-Seite 15 Mark und für ein Telefon pro Tag rund 200 Mark zahlen sollten, eine Gebühr, die leicht heruntergehandelt werden konnte.

523 Aktive aus 90 Ländern spielen bei den 43. Weltmeisterschaften im 10.000 Zuschauer fassenden Tianjin-Gymnasium die Titel aus. Favoriten sind natürlich die Cracks aus China, wobei die besten Spielerinnen und der männliche Geheimfavorit Ding Song bisher international kaum auftraten und so von den Europäern besonders schwer einzuschätzen sind. „Wer in Tianjin Weltmeister wird, ist ein Riese“, findet jedenfalls Jörg Roßkopf, der seine erste Aufgabe gestern souverän löste. Das deutsche Männerteam gewann gegen Hongkong mit 3:0, mit dem gleichen Ergebnis bezwangen die Frauen England. Die Ovationen der in Uniformen gewandeten Schulkinder, die das Bild des Publikums bestimmten, gehörten jedoch den chinesischen Frauen, die Frankreich mit 3:0 abfertigten.

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