: „Wir sind in guter Verpackung“
Im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf versucht die CDU mit einer massiven Angstkampagne Boden zu gewinnen / SPD pflegt Personenkult um Ministerpräsident Rau ■ Aus Bochum Walter Jakobs
Es war einer dieser vertrackten Versprecher, der das innerste des CDU-Spitzenkandidaten Helmut Linssen am vergangenen Freitag abend beim Kreisparteitag in Essen unfreiwillig nach außen kehrte: „Wir sind in guter Verpackung.“ Von einer guten Verfassung der Christdemokraten kann knapp zwei Wochen vor der Landtagswahl am 14. Mai in der Tat nicht die Rede sein, doch die monatelang ausgetüftelte Wahlkampfverpackung sorgt für Furore. Ginge es um den Sieg auf dem Felde der „Sekundärkommunikation“, also um die Frage, welche Wahlkampagne die Menschen am meisten berührt, die CDU hätte die Schlacht längst gewonnen. „Auf ein gut gezapftes Pils warten Sie 7 Minuten“, verkündet die Partei auf tausendfach verteilten Bierdeckeln. „In dieser Zeit werden in NRW durchschnittlich 21 Straftaten begangen. Gewalt gegen Frauen, Raub, Einbruch, Diebstahl ... Na dann Prost!“ Passend dazu ein finster blickender Spitzenkandidat Linssen auf Tausenden von Plakatsäulen, der jedem zu verstehen gibt, daß das Böse in NRW unter ihm als Ministerpräsident unerbittlich bekämpft wird. Wer dann immer noch nicht weiß, wen der Spitzenkandidat in die Flucht zu schlagen gedenkt, dem helfen großflächige Plakate und Fernsehspots, die einen Einbrecher in einer Wohnung zeigen. Die Botschaft: „Sicherheit kann man wählen – CDU“.
Linssen selbst zeigt sich bei all seinen Wahlkampfauftritten hocherfreut, daß „wir die Themen bestimmen“. Begeisterung und Zuversicht kommt bei den eigenen Anhängern gleichwohl nicht auf. Von der euphorischen Stimmung, in die sein Vorgänger Blüm 1990 das Parteivolk mit seiner Kampagne „Der Sozialismus geht, wir kommen“ zu versetzen wußte, ist diesmal nichts zu spüren. Allerdings hat auch Blüm die CDU nicht nach vorne gebracht. Seine Anti-Sozialismus-Kampagne – niemand in NRW denkt bei Johannes Rau an Sozialismus – machte allenfalls aus hundertprozentigen CDU-Wählern hundertfünfzigprozentige. Und davon gab es genau 36,7 Prozent. Noch signalisieren die Wahlprognosen zwar nicht, daß der 52jährige Unternehmer Linssen sein Wahlziel von 40 Prozent plus x erreichen könnte, aber ganz ausgeschlossen sind Zugewinne der CDU mit dem zum Top- Thema gepushten Streit um die innere Sicherheit nicht.
Von einer strukturell unangreifbaren sozialdemokratischen Mehrheit kann bei den 13 Millionen Wahlberechtigten in NRW trotz der nun schon 15 Jahre währenden Düsseldorfer SPD-Alleinregierung ohnehin nicht die Rede sein. Bundestags- und Kommunalwahlergebnisse sprechen da eine andere Sprache. Während der Abstand zwischen CDU und SPD bei den letzten beiden Landtagswahlen über 13 Prozent betrug, trennten die beiden Parteien bei den sonstigen Wahlgängen immer nur wenige Prozente. Bei keinem Wahlauftritt vergißt Linssen deshalb den Hinweis, daß bei der Kommunalwahl im vergangenen Oktober die CDU mit 40,2 Prozent nur noch zwei Prozent hinter der SPD lag.
Erkennbar Mut schöpfen die Christdemokraten an Rhein und Ruhr aus solchen Zahlen indes nicht. Diese mangelnde Zuversicht hat einen Namen: Johannes Rau. Ohne ihn, da sind sich die Demoskopen ziemlich sicher, verharrte der Prognosenpegel für die SPD statt bei 49 Prozent wohl eher an der 40-Prozent-Marke. Nicht weil Rau große Teile der CDU-Anhänger zu SPD-Wählern bekehrt hätte, sondern allein deshalb, weil „viele Bürger, die eigentlich der CDU zuneigen, nicht zur Wahl gehen, weil sie den CDU-Herausforderer Linssen nicht an der Stelle von Rau sehen möchten“, wie Forsa-Chef Manfred Güllner zu wissen glaubt. Während die SPD bei den vergangenen Landtagswahlen ihr Potential regelmäßig auszuschöpfen wußte, blieben rund eine Million potentielle CDU-Anhänger wegen Rau einfach zu Hause. Die ganze Angstkampagne der CDU zielt deshalb darauf ab, das eigene Potential an die Urnen zu bringen.
Doch auch wenn das gelänge, für einen Einzug Linssens in die Düsseldorfer Staatskanzlei dürfte es auf keinen Fall reichen. Ginge die absolute Mehrheit für die SPD flöten, stünden gleich zwei Bräute parat. Sowohl die FDP, die laut Demoskopie bei 5 Prozent liegt, als auch die zwischen 6 und 11 Prozent gehandelten Grünen wollen unbedingt in die Regierung. Sollte sich Rau im Fall der Fälle gegen Rot- Grün sträuben, müßten die Grünen eben die Rot-Grün-Anhänger in der SPD-Führung „zum Königsmord stimulieren“, heißt es in einem Papier, das aus der Feder des zu den Grünen gewechselten langjährigen SPD-Genossen Stefan Bajohr stammt. Die ganz auf monarchistischem Rau-Kurs segelnde SPD-Wahlkampfleitung reagierte auf die Empfehlung des Ex-Genossen mit routinierter Empörung. „Wer Grün wählt“, so die messerscharfe Reaktion des SPD- Wahlkampfleiters Peter Wind, „wählt diejenigen, die Rau stürzen wollen. Wer Johannes Rau will, muß SPD wählen. Alles andere ist ein zu großes Sicherheitsrisiko.“ Ob diese Argumentation beim sozialdemokratischen Wahlvolk weiterhin verfängt, steht dahin. Es könnte auch zu einem Bumerangeffekt kommen, denn die stellvertretende Juso-Landesvorsitzende Sabine Blum-Geenen steht mit ihrer Kritik am „übersteigerten Personenkult“ um Rau im SPD-Lager gewiß nicht allein. Was Wahlkampfmanager Wind als Risiko verkauft, gilt anderen durchaus als Chance. Aus dieser Ungewißheit bezieht die NRW-Wahl einen Rest an Spannung – trotz aller eindeutigen Prognosen.
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