: Serben bombardieren Zagreb
■ Mindestens vier Tote und 60 Verletzte bei einem Bombenangriff auf die kroatische Hauptstadt / Die kroatische Regierung erklärt ihren Angriff auf die Krajina-Serben für beendet
Zagreb (taz) – Mindestens vier Tote und mehr als 60 Verletzte hat ein Angriff der rebellischen Serben auf das Zentrum der kroatischen Hauptstadt Zagreb gefordert. Um 10.30 Uhr erschütterten sechs Explosionen völlig überraschend die Stadt. Es wurde kein Bombenalarm ausgelöst, und die lokalen Massenmedien schwiegen fast drei Stunden lang, obwohl Bewohner höherer Stockwerke Rauchschwaden über dem Stadtzentrum klar ausmachen konnten. Die Splitterbomben fielen auf die belebten Straßen, unweit von wichtigen Gebäuden und Botschaften der USA und Frankreichs. Zwei Projektile schlugen in der Umgebung des internationalen Flughafens ein. Auch die nahe gelegene Stadt Karlovac war Ziel der serbischen Angriffe.
Am frühen Nachmittag erklärte der kroatische Präsident Tudjman die Offensive gegen die Serben der Krajina für beendet. Das Ziel, die serbische Blockade der Autobahn Zagreb–Belgrad aufzuheben, sei erreicht worden. Die an der Autobahn liegende Stadt Okucani habe man eingenommen. Der kroatische Angriff gegen das von den Serben besetzte Gebiet um die Autobahn hatte am Montagmorgen begonnen.
Nach dem Angriff auf Zagreb wurde die Bevölkerung der Hauptstadt aufgerufen, die Wohnungen nur im Notfall zu verlassen. Schulen, Kindergärten und Hochschulen stellten den Unterricht ein. Alle Bewohner wurden aufgefordert, keine unbekannten Gegenstände zu berühren. Die US-Botschaft empfahl den Amerikanern, Kroatien alsbald zu verlassen.
Der kroatischen Öffentlichkeit wurden sowohl das Ausmaß der Strafaktion gegen die serbischen Rebellen als auch deren internationales Echo vorenthalten. So konnten die Kroaten nicht erfahren, daß der UN-Sicherheitsrat Zagreb zur Einstellung „offensiver Aktionen“ aufrief. Auch die Flächenbombardierungen der Save- Brücke bei Bosanska und Stara Gradiska und der Verbindungswege zu serbisch besetzten Teilen Bosnien-Herzegowinas fanden in den kroatischen Medien keine Erwähnung. Die dringliche Anfrage der Abgeordneten der Opposition zur Lage auf den Schlachtfeldern wurde vom Premier und den Ressortministern ebenfalls ohne Antwort gelassen.
Die Kämpfe zwischen den regulären kroatischen Polizei- und Armeekräften und den Einheiten des 18. Corps der „Armee von Serbisch-Krajina“ konzentrieren sich in der Gegend Okucani/Nova Gradiska/Pakrac in Westslawonien. Mehr als 5.000 Serben haben nach UN-Angaben dieses Gebiet bereits in Richtung Bosnien verlassen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) bat internationale Organisationen um Hilfe.
Nach Ansicht von Beobachtern hat die Offensive ein viel umfangreicheres Ziel als nur die Sicherung des Verkehrs auf der Autobahn Zagreb–Belgrad (E 70). Es gehe um die Wiedereroberung der von den Serben besetzten Gebiete Kroatiens.
Die UN-Friedenstruppen stehen auch außerhalb der Kampfzone in erhöhter Alarmbereitschaft. Mehr als 190 UN-Angehörige befinden sich teilweise als Geiseln in serbischem Gewahrsam, teilweise wird die Bewegungsfreiheit der Blauhelme, meist von den Serben, erheblich eingeschränkt. Kroatische Soldaten „verdrängten“ tschechische UN-Soldaten von acht Beobachtungsposten, verlautete aus dem Hauptquartier der UN-Friedenstruppen in Zagreb. UN-Sprecher Fred Eckhardt meinte bei der Einschätzung der Lage, daß Kroatien „vielleicht einen hohen Preis für die gegenwärtige Aktion zu zahlen“ haben werde.
Zdzislaw P. Gwozdz Seiten 8 und 10
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