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Versuchte Sterbehilfe wird erneut verhandelt

■ Sohn und Arzt empfahlen Sterbehilfe für todkranke Mutter / Bundesgerichtshof hob erste Verurteilung auf und verwies das Verfahren an andere Kammer zurück

Kempten (taz) – Vor der 2. Strafkammer des Kemptener Landgerichts ist gestern der sogenannte „Kemptener Sterbehilfeprozeß“ erneut aufgerollt worden. Verantworten müssen sich ein heute 54jähriger Arzt und ein gleichaltriger Geschäftsmann wegen Sterbehilfe an der 72jährigen Mutter des Geschäftsmannes. Beide hatten eine Anweisung an das Pflegepersonal der unheilbar kranken Frau unterschrieben, mit der sie veranlassen wollten, daß die künstliche Ernährung der seit zweieinhalb Jahren im Koma liegenden Frau eingestellt wird. Die damals hinzugezogene Landgerichtsärztin bestätigte, daß die Frau unheilbar krank sei, ordnete aber aus ethischen und moralischen Gründen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung an. Ein halbes Jahr später verstarb die Patientin eines natürlichen Todes.

Im März vergangenen Jahres hatte das Kemptener Gericht beide Männer wegen versuchten Totschlags zu Geldstrafen in Höhe von 6.400 und 4.800 Mark verurteilt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dann im September letzten Jahres das Urteil in vollem Umfang aufgehoben und zur Neuverhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts Kempten zurückverwiesen. Zuwenig wurde nach Ansicht des BGH der mutmaßliche Wille der Patientin überprüft. Eine eindeutige schriftliche Erklärung der einstigen Lehrerin, ob sie gegebenenfalls lebenserhaltende Maßnahmen um jeden Preis wünsche oder nicht, lag nämlich nicht vor.

Seit gestern prüft nun die 2. Kammer des Kemptener Landgerichts, ob aus früheren Äußerungen der verstorbenen Patientin ein Wille auf vorzeitige Beendigung ihrer Leiden abzuleiten sei oder nicht. Der beklagte Sohn berichtete am ersten Verhandlungstag von mehreren Äußerungen seiner Mutter, sie wolle niemals an Apparaten dahinsiechen. Bei Gesprächen mit Verwandten und Bekannten hätten ihm alle empfohlen, der Beendigung der Leiden von Frau S. zuzustimmen. Genau dies hatte nach über zweijähriger Behandlung der mitangeklagte Hausarzt dem Sohn der Frau empfohlen. „Ich bin fest davon ausgegangen, daß diese Empfehlung rechtlich voll abgesichert ist“, sagte der Arzt vor Gericht.

Das Gericht hat annähernd 30 Zeugen geladen, die an voraussichtlich drei Prozeßtagen helfen sollen, die näheren Umstände zu erklären. Hermann Schmidbauer, der Rechtsanwalt des beklagten Sohnes machte erneut deutlich, daß seines Erachtens die Hilfe zu einem humanen Sterben nicht kriminalisiert werden dürfe. Mit einem Urteil wird am 17. Mai gerechnet. Klaus Wittmann

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