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Späte Rache eines Talkgastes

■ Vorgespult: „Mein Leben auf der Flucht vor der Koralle“ Eine Hörfunksatire von Max Goldt um 22.05 Uhr bei BR 2

Auch wenn die Verpackung surreal klingt – der Inhalt ist reine Wahrheit! Denn Koralle heißt ein Boulevardblättchen. Und Ruth Frau, einstige Filmdiva und „Ikone der Adenauer-Ära“, ist dessen erwähltes Opfer.

Trotzdem führt uns der Titel zunächst in die Irre. Denn das Ding mit der Koralle ist eher ein Nebenschauplatz in Max Goldts beißend medienkritischem Hörspiel. Hauptakteure sind ein x-beliebiger Radioquatscher und sein Talkgast, die besagte Frau Frau (beide als Glanzleistung vom Autor selbst gegeben). Der Redeprofi hat es geschafft, den Filmstar nach zwanzigjähriger Presseabstinenz vors Mikrofon zu locken. Aber das war nur auf den ersten Blick ein gelungener Coup. Denn für das Interview hat er einen bitteren Preis zu zahlen: Immer, wenn es der Dame paßt, wird unter hilflosem Seufzen des Talkprofis eine Schnulze ihres verstorbenen Ex-Gatten gespielt. Als Gegenleistung sollte Frau Frau exklusiv und öffentlich gestehen, warum sie zu Beginn der Siebziger im Suff und Off versackte. Doch am erfrischend ordinären Ton dieser Frau, an ihrer schnodderigen Klappe scheitert jede journalistische Grundausbildung.

Entstand die Satire am Ende aus Notwehr?

Und so kann schon ab der zweiten Spielminute von professioneller Gesprächsführung gar keine Rede mehr sein. Da mag der arme Moderator auch noch so im leeren rudern und alle Sprachmanierismen seiner Zunft auffahren – die stakkatohafte Informationsabsonderung, den ruckhaften Themenschwenk, die näselnden, verkrampften Anzüglichkeiten – alles vergebens. Allein durch ihre Redekunst entblößt Frau Frau die Mechanismen solcher Billigtalkshow. Aus der für ihn höchst peinlichen Show wird ein für uns herrlich komischer Showdown.

Für mich steht übrigens fest, daß „Mein Leben auf der Flucht vor der Koralle“ aus reiner Notwehr entstand. Denn ich war selbst vor einigen Jahren Ohrenzeugin von Max Goldts Leiden im Gaststuhl eines Radiotalkers. Des Moderators Pech: Je platter die Fragen wurden, desto weiter dehnte Goldt seine Antwortschleifen aus. Während ich gespannt und schadenfroh grinsend den Boykott dieses blödsinnigen Interviews verfolgte, muß Max Goldt die Idee für seinen Quasselkampf gekommen sein. Gaby Hartel

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