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Richter Orlet kämpft ums Überleben

■ Nach der Androhung einer Richteranklage versucht der Mannheimer Skandalrichter, seine Äußerungen zum NPD-Chef Deckert geradezurücken

Freiburg/Stuttgart (taz/dpa) – Spät, aber doch noch besinnt sich Rainer Orlet. In einer Stellungnahme an den baden-württembergischen Landtag erklärte der umstrittene Mannheimer Richter jetzt seine früheren öffentlichen Äußerungen zum Deckert-Urteil als „überholt“. Damit versucht Orlet, dem eine Richteranklage vor dem Bundesverfassungsgericht droht, offensichtlich, in letzter Minute seine früheren Äußerungen geradezurücken.

Orlet hatte im August letzten Jahres als Verfasser eines Urteils des Mannheimer Landgerichts das Engagement des NPD-Vorsitzenden Deckert gegen „jüdische Ansprüche aus dem Holocaust“ grundsätzlich positiv bewertet und das Urteil anschließend in zahlreichen Interviews verteidigt. „Mein Vorbringen, ich würde das Urteil noch einmal genauso schreiben, halte ich nicht aufrecht“, heißt es jetzt. Welche Passagen er heute anders abfassen würde, läßt Orlet allerdings offen.

Mitte März hatte der vom Landtag beauftragte Gutachter, der frühere Verfassungsrichter Ernst Benda, die Erhebung der Richteranklage überraschend für aussichtsreich gehalten, falls die in Interviews wiedergegebenen Äußerungen authentisch seien. Jetzt betont der 59jährige in seiner fünfseitigen Stellungnahme, er habe sich in allen Interviews „nachhaltig“ von den politischen Ansichten des NPD-Chefs distanziert. So habe er „den Holocaust als feststehende Tatsache bezeichnet und auf das schärfste verurteilt“ und sei „auch bei schwersten Anfeindungen Israels für dessen unbedingtes Lebensrecht eingetreten“. Und: „Sollte ich durch eine meiner öffentlichen Äußerungen den unzutreffenden Eindruck der geistigen Nähe zum Rechtsextremismus oder einer persönlichen Nähe zu dem mir völlig fremden Angeklagten Deckert erweckt haben, so bedauere ich dies ...“

Orlet hält allerdings daran fest, daß die Auffassung Deckerts, nach 50 Jahren sollten keine Ansprüche aus dem Holocaust mehr erfüllt werden, eine durch das Recht auf Meinungsfreiheit gedeckte und „daher erlaubte Position im politischen Meinungskampf“ darstellt. Orlet beschränkte sich jetzt darauf, erneut zu betonen, daß die Leugnung des Holocaust kein zulässiges Mittel sei, dieses „berechtigte Interesse“ zur Wirkung zu bringen.

Die SPD im baden-württembergischen Landtag hielt gestern an ihrer Forderung nach Erhebung einer Richteranklage fest. Die FDP forderte Orlet auf, seine Versetzung aus seiner Position als Strafrichter zu beantragen. „Reue allein genügt nicht“, sagte FDP- Landeschef Walter Döring gestern in Stuttgart. Christian Rath

Kommentar Seite 10

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