: Stille Hilfe für Käseschachtel-Hersteller
■ Münchner CSU-Fraktionschef Gerhard Bletschacher erleichtert einen gemeinnützigen Verein um fünf Millionen / CSU erstattet Anzeige - wegen Verletzung des Steuergeheimnisses
München (dpa/taz) – Die fünf Millionen Mark waren eigentlich als Unterstützung für Bergbauern in Südtirol gedacht: Der Verein „Stille Hilfe Südtirol“ sollte damit Stipendien für Bauernsöhne aus Südtiroler Bergdörfern finanzieren. Doch der Vereinsvorsitzende Gerhard Bletschacher, im Hauptberuf CSU-Chef im Münchner Rathaus und Käseschachtel-Fabrikant, steckte das Geld in seine marode Firma.
Genau 4,8 Millionen Mark zweigte er in den letzten Jahren aus der Vereinskasse ab und gewährte sich damit ein komfortables zinsloses Darlehen.
Begonnen hat der heute 64jährige Bletschacher damit im Jahr 1986. In aller Stille überwies der CSU-Stadtrat 1,6 Millionen Mark vom Vereinskonto an seine Firma „Eduard Müller“, um deren Konkurs abzuwenden. In den nächsten Jahren wuchs der Finanzbedarf der Fabrik weiter, und Bletschacher lenkte auch die nächsten Spenden auf sein Firmenkonto um – darunter auch jährlich 10.000 Mark Unterstützung, die die Stadt München spendete. Seine Kollegen im Vorstand des gemeinnützigen Vereins informierte Bletschacher vorsichtshalber gar nicht erst, was er heute immerhin als Fehler ansieht: „Korrekterweise hätte der Vorstand davon wissen müssen“, räumt Bletschacher ein.
Inzwischen beschäftigt sich auch die bayerische Justiz mit dem Fall Bletschacher. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) hat eine Strafanzeige angekündigt, weil Bletschacher aus dem Vereinsvermögen eventuell auch Steuergelder abgezweigt habe. Daneben waren vor gut einer Woche die Steuerfahnder in Bletschachers Firma zu Gast, und seitdem interessieren sich auch die bayerischen Staatsanwältedafür, wohin wieviel Geld gewandert ist.
Die Münchner CSU vermutet, daß der Fall nur durch eine Indiskretion aus Finanz- oder Justizministerium nach außen drang: „Das kommt von der Finanzbehörde“, mutmaßt Bletschacher. Seine Fraktionskollegen sehen in der Affäre einen Versuch, die gauweilertreue Münchner CSU zu schwächen. Gleich nachdem der Fall bekannt wurde, erstatteten sie Anzeige – allerdings nicht gegen ihren Fraktionschef, sondern gegen Unbekannt: wegen Verletzung des Steuergeheimnisses.
Doch egal, wie die Verfahren der Justiz enden: Bletschacher ist selbst für die bayerische CSU erledigt. Heute wird sich die Fraktion zusammensetzen, um zu entscheiden, wann und mit welcher Begründung Bletschacher zurücktritt. Denn bei den Münchner Kommunalwahlen im nächsten Frühjahr wäre der stille Helfer Bletschacher nur ein Wahlhelfer für die Konkurrenz. fex
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen