: Nur wenige erhalten Entschädigung
Pani Febronia gehört zu den Hunderttausenden von Opfern des zwölf Jahre währenden Tausendjährigen Reiches der Nationalsozialisten, die nie eine finanzielle „Wiedergutmachung“ erhalten haben. Hunderttausende ehemalige Zwangsarbeiter aus den europäischen Ländern haben bis heute weder Entschädigungs- oder Versorgungsleistungen noch Lastenausgleichszahlungen erhalten.
Konnten Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz von 1953 nur bis 1969 beantragt werden und war dies von Polen aus unmöglich, so konnte nach der Novellierung des Gesetzes 1991 nur Leistungen beantragen, wer nachweislich am 1. Januar 1991 im Geltungsbereich des Gesetzes wohnhaft gewesen war – also in der Bundesrepublik Deutschland.
Was die Anrechnung von Zwangsarbeitszeiten als Ausfallzeiten auf die Rentenversicherung betrifft, so fallen diese nur dann ins Gewicht, wenn überhaupt ein Rentenanspruch in der Bundesrepublik Deutschland erworben worden ist. Dies aber ist in der Regel die Ausnahme.
Versuche, die Jahre der in Deutschland geleisteten Zwangsarbeit zumindest in Polen auf die zumeist sehr niedrige Rente angerechnet zu bekommen, scheitern zum gut Teil auch an nicht mehr vorhandenen Nachweisen. So ist etwa die Vorlage von Arbeitsbüchern, anderen Unterlagen oder Zeugenaussagen, die Voraussetzung für eine Anerkennung ist, oftmals sehr schwierig oder gar nicht mehr möglich. Die Zeugen sind altersbedingt oft nicht mehr aussagefähig, Dokumente sind umständehalber verlorengegangen.
Fast alle Gemeindeverwaltungen in Deutschland, bei denen häufig Anfragen nach verschollen geglaubten Dokumenten ehemaliger Zwangsarbeiter eingehen, versenden standardisierte Absagen à la: „Sehr geehrte/r Frau/Herr XYZ, wir teilen Ihnen mit, daß in unserem nur teilweise erhaltenen Archiv keine Nachweise ermittelt werden konnten. Mit freundlichen Grüßen.“
Daß dies womöglich daran liegt, daß „das teilweise erhaltene Archiv“ mehrfach umgezogen, weder vollständig ausgepackt noch recht zugänglich ist, da es an Arbeitskräften fehlt, die die Nachweise ermitteln könnten, erfährt die Empfängerin oder der Empfänger des Schreibens aber nicht.
Der Besucher vor Ort allerdings hat nur Chancen, dergleichen zu erfahren, wenn er auf Verantwortliche trifft, die vor lauter Dienstverpflichtungen noch nicht so weit vom realen Leben entfernt sind, daß sie nicht einschätzen können, daß Nachweise dieser Art äußerst wichtig sind, für jeden, der sich um sie bemüht. Die Leiterin des Stadtmuseums und des Archivs in Gardelegen, Kreis Stendal in der Altmark, Wally Schulz, ist so eine beflissen Verantwortliche – und sie benötigt dringend personelle Unterstützung.Petra Löber
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