: Eine Ladung Tierquälerei
■ Überfüllter Lkw: 3.000 Mark Buße für Schweinetrucker
„Auf dem Wagen war kein Zentimeter Platz“, sagt Diana Scheffter. Dicht an dicht hätten die 76 Schweine auf dem Viehtransporter gestanden, als die Amtstierärztin Scheffter im Mai 1993 eine Stichprobe am Bremer Schlachthof machte. Jeden Tag rollen Viehtransporte mit totgeweihten Tieren in den Schlachthof, aber „diese Zustände sind schon eine Ausnahme“, meint sie. „Als wir den Lkw untersuchten, standen die Schweine aus Platzmangel aufeinander.“
Die Bilanz des Transportes: Ein Schwein auf der Fahrt von Schwerin nach Bremen verendet, ein weiteres mit einem Kreislaufkollaps, mehrere Tiere mit frisch blutenden Schürfwunden. Für die Amtstierärztin ein klarer Fall: Vergehen gegen das deutsche Tierschutzgesetz: Anzeige und 3.000 Mark Bußgeld. Weil der Fuhrunternehmer und Fahrer des Transports, Helmut St., die Buße nicht zahlen wollte und Einspruch erhob, tagt das Amtgericht.
Amtsrichter Richter will vor allem eines von der Zeugin und Sachverständigen Scheffter wissen: Sind den Schweinen „ohne vernünftigen Grund erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt“ worden, wie es in den Bußgeldvorschriften des Tierschutzgesetzes heißt. „Ja“, sagt die Tierärztin ohne Zögern. Denn auf dem Wagen war es so eng, daß nur jedes dritte Schwein sich hinsetzen konnte. 0,45 qm Platz erfordert die EU-Norm pro Schwein, doch nach der Vermessung von Lkw und Anhänger ergab sich nur ein Platz von 0,3 qm. Für die schwereren Sauen, für die die Norm 0,8 qm pro Rüssel vorschreibt, war gerade mal ein halber qm da.
Helmut St., der Fuhrunternehmer und Fahrer, sieht im eleganten Sakko und mit seinen grauen Schläfen eigentlich nicht nach einem Schweinetrucker aus. Alle vierzehn Tage sei er auf dem Schlachthof in Schwerin, wo man ihn gezwungen habe, auch alte und kranke Schweine abzunehmen: „Sonst brauche ich das nächste Mal gar nicht mehr zu kommen“. Vor zwei Jahren brummte das Geschäft der Viehtransporteure in Richtung Westen: In der ehemaligen DDR gab es große Viehherden, aber keine nach bundesdeutschem Recht zugelassenen Schlachthöfe. Inzwischen aber, klagt der Unternehmer, sei das Geschäft versaut: 30.000 Mark Minus habe er in den letzten beiden Jahren gemacht.
„Die ökonomischen Gründe für einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sind mir völlig egal“, meint der Richter. „Die Zustände auf diesen Transporten sind unglaublich. Das erinnert an die Transporte von KZ-Häftlingen durch die SS.“ Schon vor Prozeßbeginn hatte er St. geraten, den Widerspruch zurückzuziehen. Die 3.000 Mark seien nämlich ein „Superangebot“, das Tierschutzgesetz gebe die Möglichkeit, saftige Bußgelder bis 50.000 Mark zu verhängen.
„3.000 Mark für Tierschutz ist schon die oberste Grenze, die in Bremen von der Bußgeldstelle festgelegt wird“, meint dagegen Friedberg Schottke vom Stadtamt. Die Summe entspreche auch nur dem Profit, den St. mit dieser Ladung gequälter Schweine gemacht habe, denn eigentlich hätte er für diese Menge an Tieren zweimal fahren müssen.
Fuhrunternehmer St. sieht seine Felle davonschwimmen. Er denkt an die warnenden Worte des Richters. Mitten in der Beweisaufnahme zieht er plötzlich seinen Widerspruch zurück – „Ich zahle die Buße.“ bpo
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