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Anklage gegen Kroaten?

■ UN-Tribunal will Verbrechen im bosnischen Lasva-Tal untersuchen

Den Haag (dpa/taz) – Eine Gruppe von bosnischen Kroaten muß damit rechnen, vom UN- Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag angeklagt zu werden. Die bosnische Regierung in Sarajevo erklärte sich gestern bereit, dem Tribunal ein Verfahren gegen die 27 Verdächtigen zu übertragen.

Dem Gericht würden auch alle bisher gesammelten Beweise zur Verfügung gestellt, versicherte die Vertreterin der bosnischen Regierung auf einer Sitzung des Tribunals. Es war das erste Mal, daß sich das internationale Strafgericht mit Verbrechen von Kroaten beschäftigte. Bisher war es immer um Serben gegangen. Die Serben hatten dem Gericht vorgeworfen, einseitig zu ermitteln.

Den Kroaten wird vorgeworfen, am 16. April 1993 an einem Überfall auf das Dorf Ahmici im Lasva- Flußtal-Gebiet in Zentralbosnien beteiligt gewesen zu sein. Dabei waren 114 muslimische Zivilisten ermordet worden, unter ihnen viele Frauen und Kinder. Die Leichen wurden verbrannt. 176 Gebäude, darunter zwei Moscheen, gingen in Flammen auf. Die bosnische Regierung hat Haftbefehle gegen die 27 Kroaten erlassen, bisher aber keinen von ihnen festnehmen können. Unter den Verdächtigen sind nach Angaben des Tribunals auch politische und militärische Führer. Namen wurden aber noch nicht veröffentlicht.

Der Chefankläger des Tribunals, Richard Goldstone, meinte, die Ermittlungen könnten besser von Den Haag aus weitergeführt werden. Da zur Zeit sowohl das Tribunal als auch die bosnischen Behörden den Fall untersuchten, würden Zeugen doppelt befragt. Dies bedeute eine „unerträgliche Last“ für Menschen, die oft noch traumatisiert seien und mit Racheakten rechnen müßten. Goldstone wies auch darauf hin, daß ein Prozeß vor dem Tribunal fairer wäre als ein Verfahren im Machtbereich einer Kriegspartei.

Die Richter des Tribunals wollen morgen bekanntgeben, ob sie das von Goldstone beantragte Verfahren tatsächlich übernehmen wollen. Dies gilt jedoch als sicher.

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