: Editorial
Erst Ende April stand es fest: Das Berliner Theatertreffen, die Leistungsschau der von KritikerInnen ausgewählten „bemerkenswertesten“ deutschsprachigen Inszenierungen des letzten Jahres, wird zum 32. Mal stattfinden, zwar mit einigen Flicken und Blessuren, aber mit allen eingeladenen Bühnen. Das war nicht unbedingt zu erwarten. Denn da der Bund seine neue Sparsamkeit verstärkt an Berlin exerziert, beträgt der eigentlich von Bund und Land gemeinsam getragene Festspiele- Etat fürs Theatertreffen in diesem Jahr nur noch 1,9 Millionen Mark – eine Kürzung von 1,3 Millionen Mark, die die Veranstaltung fast nicht überlebt hätte. Nun sprang jedoch ein Sponsor ein, was im Bereich der flüchtigen, nicht einrahmbaren Theaterarbeit selten ist. „Partner für Berlin“, die Gesellschaft für Hauptstadtmarketing, unterstützt das Treffen 1995 jetzt mit einer halben Million Mark.
Aber nicht nur die Finanzierung unterscheidet dieses Theatertreffen von den vorherigen. An dem Tag im März, an dem die Jury ihre Endauswahl getroffen hatte, wurde die Jury von Festspiele-Leiter Ulrich Eckhardt aufgelöst. Peter von Becker, Eckhard Franke, Christoph Funke, Wolfgang Kralicek, Mechthild Lange, Rolf Michaelis, Claudia Petzold, Ulrich Schreiber und Thomas Thieringer werden jetzt also am letzten Tag des Treffens, am 25. Mai, um 14.30 Uhr im Theaterzelt vor dem Deutschen Theater zwar für die Schlußdiskussion zur Verfügung stehen, aber im Amt sind sie nicht mehr. Eckhardt wollte den Weg freimachen für „neue Strukturen“, denn was aus der Veranstaltung im nächsten Jahr wird, ist völlig offen. Die Vorstellungen einer zukünftigen Jury reichen von einer einzigen Person bis zu einem fünfköpfigen Modell. Das Kuratorium der Festspiele wird während des Treffens darüber entscheiden.
Stichwort Theaterzelt vor dem DT. Eine weitere Konsequenz der Finanzierungsschwäche ist der Verzicht auf das teure „Spiegelzelt“. Ein schlichtes Bierzelt wird an seiner Statt aufgestellt, was schade ist, aber zumindest gibt es damit weiterhin die Chance zu einem öffentlichen Zusammentreffen außerhalb von Parkett und Foyer. Erst wurde daran gedacht, alle bisherigen „Spiegelzelt“- Veranstaltungen in der Werkstatt des Schiller Theaters abzuhalten, wodurch das Theatertreffen dem Bewußtsein der Berliner Restbevölkerung überhaupt und gänzlich entrückt worden wäre.
Der „Stückemarkt“ konnte von den Festspielen in diesem Jahr ebenfalls nicht mehr finanziert werden. Aber auch er wurde gerettet, von der Redaktion von Theater der Zeit (siehe Bericht auf der gegenüberliegenden Seite). Auch wenn es flüchtig betrachtet so wirkt wie immer – das Berliner Theatertreffen ist in Not, sein Anker in der Festspiele GmbH und damit in Berlin reichlich gelockert. Es ist also höchste Zeit, über seine Zukunft ernsthaft nachzudenken. Muß es denn weiterhin in Berlin stattfinden, wo die Finanzierung solche Probleme bereitet und es, nun ja, doch letztlich in der Fülle der anderen Veranstaltungen immer mehr versinkt? Muß es ein Festival der Ästhetik bleiben? Wer will was mit diesem Treffen? Hoffentlich wird das in den diversen begleitenden Diskussionen ohne falsche Sentimentalität thematisiert. Petra Kohse
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