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Verdrängte Geschichte

■ Kroatiens Politiker gedenken erstmals der Opfer des Ustascha-Regimes

Wien (taz) – Erstmals seit der kroatischen Unabhängigkeit vor fünf Jahren hat eine Regierungsdelegation am Mahnmal von Jasenovac der mindestens 200.000 Opfer der faschistischen kroatischen Ustascha-Diktatur gedacht. Bisher führte das offizielle Kroatien an den Orten des Verbrechens keine Gedenkveranstaltungen durch, und auch zum 50. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus hielt man sich eher bedeckt. Denn es war nur eine zweitrangige Politikergruppe, die auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Jasenovac Kränze niederlegte – ansonsten gab es keine größeren Gedenkveranstaltungen.

Die Zeit des Ustascha-Terrors wird in Kroatien weiterhin verdrängt. Dies geht sogar so weit, daß der letzte Kommandant von Jasenovac, Dinko Sakić, seit vergangenem Dezember in Zagreb lebt. Zuletzt soll er sich nach Vermutungen des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Australien aufgehalten haben.

In Zagreb ist Sakić ein unbehelligter Mann. Im Wochenblatt Magazin erklärte er kürzlich ohne Umschweife: „Wir haben nicht ganz perfekte Arbeit geleistet, ansonsten hätte Kroatien heute nicht die Probleme, die es hat. Ich bin stolz darauf, was ich getan habe, ich würde es wieder tun.“ In dem Interview sagte der Faschistenscherge, er verehre Präsident Tudjman, doch um ihm keine Probleme zu bereiten, habe er sich bisher vom Vaterland ferngehalten.

Tudjman selbst nahm bei seinem Großbritannienbesuch zum Gedenken des Kriegsendes die Forderungen einiger Labour-Abgeordneter gelassen auf, die ihn des Landes verweisen wollten, „solange ein Kriegsverbrecher wie Simić in Zagreb sich frei bewegen kann“. Der kroatische Präsident ließ den Labour-Abgeordneten ausrichten, sie sollten den serbischen Übertreibungen über Jasenovac keinen Glauben schenken, und übergab ihnen sein Buch „Irrwege der Geschichtswirklichkeit“. In dem 600seitigen Werk legt der promovierte Historiker dar, daß nicht mehr als 60.000 bis 80.000 Juden, Roma und Serben während der Ustascha-Zeit ihr Leben ließen. An keiner Stelle erwähnt Franjo Tudjman die Greuel, die von den Ustaschen begangen wurden, die Gefangene entweder an Ort und Stelle erschlugen oder von Jasenovac aus in deutsche Vernichtungslager deportierten.

Auch in den Schulbüchern lesen die kroatischen SchülerInnen nichts über die Greueltaten ihrer Großväter, dafür um so mehr über den „serbischen Faschismus“, der heutzutage die friedliebenden Völker des Balkans zu unterjochen trachte. In einer Fernsehdiskussion zum Thema „Faschismus gestern und heute“ waren sich am Dienstag abend hochrangige kroatische Politiker einig, daß der jetzige serbische Eroberungskrieg mit Hitlers Feldzug gleichzusetzen sei. Karl Gersuny

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