piwik no script img

Unorte: Angeln Von Claudia Kohlhase

Wenn ich Fisch wäre, ich würde einen großen Bogen um Angler machen und lieber nach Luft schnappen oder nach teichinternen Lurchis, jedenfalls nicht nach verdächtig freundlichen Mehlwürmern. Was ist schon ein Mehlwurm, meine Güte, eine kurze Freude ganz vorne, aber hinten dran ein langer Angler, das vergessen die meisten.

Allein schon dieses Kurbeln, dieses Grinsen, diese Gummistiefel, ein Mensch ohne Schick und ohne Eloquenz. Das sieht der Angler ganz anders, speziell, wenn einer gebissen hat. Sowas rührt den Angler derart, als wenn er nicht damit gerechnet hätte. Darum redet er anschließend sogar mit Frauen, während er die Mehlwürmer streichelt und ihnen Würmerworte zuraunt.

Denn nur so kann man Damen, die einfach vorbeikommen, ein wenig zeigen, wie sehr hier einem Glücklichen keine Stunde schlägt – ihm und seinen Mehlwürmern, seinen Maden, seinen Regenwürmern. Welche sind ihm die liebsten? Och, die Mehlwürmer, klar. Selbstverständlich sind im Angelverein Frauen, das kann ich aber glauben, und zwar sieben. Eine interessante Zahl immerhin, auch wenn ein Rest von 170 Anglern bleibt. Mir reicht hier der eine, denn alleine auf diesen einen kommen schon Pi mal Daumen 50 Mehlwürmer, 30 Maden und 20 Regenwürmer, von denen welche auch völlig grundlos, also ohne Ködermentalität, aus ihren Dosen kriechen, was vermutlich exakt der Grund ist, warum nur sieben Frauen angeln, jedenfalls in der hiesigen Gegend.

Endlich wirft mein Angler seine Angelschnur wieder von sich, und zwar extra weit, damit niemand auf die Idee kommt, er gehörte dazu. Was ist eigentlich so schön daran, frage ich extra intrigant, etwas Langes in etwas Dunkles hineinhängen zu lassen? Das ist der Jagdtrieb, sagt er stolz und ungerührt. Wie, Jagen im Sitzen? frage ich, und warum er nicht hinter wilden Karnickeln herrennt. Wegen der Entspannung, sagt mein Angler, auch müsse man da im Grunde schießen oder, im Falle von Hühnern, diese hochhalten und untendrunter drehen, bis es knackt.

Okay, sage ich, und verstehe jetzt das Angeln viel besser, obwohl Zuschauen beim Angeln noch mehr Disziplin erfordert als die Jagdangelegenheit selbst. Zur Abwechslung mache ich ein paar Schritte um den Teich, da mir auch plötzlich so sammelartig zumute wird. Irgendwas muß der Mensch schließlich machen, wenn neben dir dauernd jemand angelt; das macht einen sonst nervös, dieses intensive Jagen auf dem Höckerchen. Außerdem geben einem Eimerchen etwas Stabiles, das muß man sich unbedingt merken.

Darf ich mal halten, sage ich in einem Anflug von Irrsinn, Wahn und Besessenheit, als ich, wenn auch ohne Beeren und Kräuter, zurückkomme. Aber er zuckt nur kurz, er ist ein Mann der Moderne und keiner von diesen Parzellistenanglern mit Hütchen, wo sich daheim schon die Hausfrau warmläuft mit der Fischpfanne.

In meiner Badewanne bin ich auch immer Kapitän, sage ich enthemmt, aber ich fühle, daß Schweigen hier jetzt mehr verbindet. Hoffentlich beißt jetzt keiner, denke ich noch inständig, aber da beißt schon keiner. Petri heil, sage ich dann zum Abschied verblüffend stilsicher. Schließlich sind Jäger auch nur Sammler.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen