piwik no script img

„Haunse bloß ab“

■ Mit dem Auschwitz-Leugner Deckert auf Wahlkampftour

„Was, NPD? Wie schrecklich!“ Die ältere Dame, die bis eben noch friedlich auf einer Bank am Hanseatenhof in der Sonne gesessen hatte, ist entsetzt. „Haunse bloß ab.“ Und für einen Moment verschwindet das versteinerte Grinsen auf dem Gesicht des Mannes im blauen Trenchcoat. Und er trollt sich.

Gestern nachmittag war einer in der Stadt, der in den letzten Monaten eine traurige Berühmtheit erlangt hat. Günter Deckert, Bundesvorsitzender der rechtsextremen NPD, vor einigen Wochen zu zwei Jahren verurteilt. Deckert hatte in einer Parteiveranstaltung die Massenmorde in Auschwitz geleugnet. Wenn der Name fällt, klingelt's bei vielen im Hinterkopf. Aber das Gesicht, das scheint kaum jemand zu kennen. So konnte er sich gestern mopsfidel in der Bremer Innenstadt bewegen.

Es waren nur wenige der wahlkampfmüden BremerInnen, die Deckert in ein Gespräch verwickeln konnte. Die meisten: freundlich-ablehnend. Männer, an die sich Deckert jovial und schulterklopfend heranmachte. Deckerts Methode: Immer auf Tuchfühlung, die Initimitätsgrenze ignorieren und die Verwirrung der plötzlichen Nähe für ein Gespräch nutzen. Nur wenige trauten sich in die Konfrontation. Das waren, bis auf eine Ausnahme, Frauen. Da war die junge Frau, die erst ungläubig um Deckert herumstrich, beim Reporter nachfragte, um dann den NPD-Chef zornentbrannt frontal anzugehen: „Daß Sie sich hierhertrauen, ungeheuerlich.“ Der hielt voll dagegen, doch da war er an der falschen Adresse. Die Frau wollte nicht diskutieren, sondern Deckert ihre ultimative Verachtung demonstrieren: „Das habe ich mir gedacht, daß Sie weiße Socken tragen!“ Kurze Verblüffung, sowas hatte er noch nie gehört.

Aber das waren Ausnahmen. Die meisten BremerInnen nahmen kaum Notiz. Einen großen Erfolg verbuchte der NPD-Chef am CDU-Wahlkampfstand. Da konnte er ein paar Minuten mit dem CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Bernt Schulte diskutieren, der bis zum Ende des Gesprächs offensichtlich keine Ahnung hatte, wen er da vor sich hatte. „Ich hatte gedacht, das wäre ein Bremer NPD-Kandidat. Und ich scheue die Diskussion mit solchen Leuten nicht.“ Deckert, nicht maulfaul, und immer mit Blick auf die Kamera, bedankte sich „für das nette Gespräch“.

Aber da war ja noch die Dame vom Hanseatenhof. Als die Kamera weg war, da hatte ihr einer der Deckert-Hiwis zugeknurrt: „Ihr alten Knacker dürft sowieso bald nicht mehr wählen.“ Und als der Troß längst weitergezogen war, fragte die Frau nochmal nach: „War das nicht der Deckert? Was, tatsächlich! Wenn ich das gewußt hätte, dem hätte ich noch was ganz anderes erzählt.“ J.G.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen