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Binnenschiffern steht das Wasser bis zum Hals

■ Die Unternehmen klagen über freie Kapazitäten / Nur ein Viertel des Güterverkehrs erfolgt per Schiff / Eine Hoffnung auf Besserung durch wassernahe Großbaustellen

Die Binnenschiffahrt ist derzeit in engem Fahrwasser unterwegs. Viele Unternehmen klagen über freie Kapazitäten von zwanzig bis dreißig Prozent. An Gewinn ist kaum zu denken. In Berlin werden nur etwa fünfundzwanzig Prozent des Güterverkehrs per Schiff abgewickelt. Die Geschäftsführung der Berliner Hafen- und Lagerhaus- Betriebe (Behala) ist schon froh, das vergangene Geschäftsjahr mehr oder weniger kostendeckend abgeschlossen zu haben.

Die Häfen und Ladestraßen der Behala schlugen 1994 über 3,5 Millionen Tonnen um. Die starken Rückgänge beim Bauschutt um mehr als 800.000 Tonnen im Vergleich zum Vorjahr wurden zum Teil durch den verstärkten Umschlag von Baustoffen ausgeglichen. Die Schiffahrt, die bei der Behala mit fast fünfzig Prozent am Umschlag beteiligt ist, soll nach deren Willen auch in Zukunft „möglichst bevorzugt“ werden, so Vorstandsmitglied Gert Rose. „Die Binnenschiffahrt ist da, wenn man sie fordert“, sagte Rose. Die Bahn dagegen produziere oft nur „heiße Luft“.

„Die Binnenschiffahrt lebt am Existenzminimum“, so die fatale Einschätzung des Geschäftsführers der Märkischen Transportgesellschaft, Eberhard Graf, der derzeitig einzigen Reederei mit Sitz am Osthafen. Die Gesellschaft, die sich kurz nach der Währungsunion gegründet und über vierzig Schiffseigner der DDR-Binnenreederei übernommen hat, hat seit dem Wegfall der Festfrachttarife vor über einem Jahr hart zu kämpfen. Bekam man vorher sechzehn Mark für die Tonne Kohle oder Getreide, ist es jetzt nur noch knapp die Hälfte. Am meisten zu knabbern haben die sogenannten „Kirchturmfahrer“, die auf ihren 150- oder 240-Tonnern zwischen den Kiesgruben und Berlin hin- und herschippern. An die von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) bis zum Jahre 2010 prognostizierte Verdreifachung der Binnenschiffahrt glaubt Graf nicht. Dabei könne die Entlastung der Straße so einfach sein: runter mit dem Stückgut von der Straße auf die Schiene und rauf mit den Massengütern aufs Wasser.

„Der Verkehr ist ohne eine stärkere Einbindung der Schiffahrt nicht zu bewältigen“, meint Klaus- Peter Hinz, Abteilungsleiter der Deutschen Binnenreederei (DBR). Die ehemalige Staatsreederei der DDR, die 1993 privatisiert wurde, sei nach einer Abspeckkur von über 3.000 auf 500 Mitarbeiter jetzt zwar auf dem „aufsteigenden Ast“, trotzdem habe man etwa zwanzig Prozent freie Kapazitäten. Den richtigen Aufschwung verspricht sich Hinz von dem von der Bundesregierung titulierten „Projekt 17“, das den Ausbau von Havel und Spree vorsieht und den Einsatz von 185 Meter langen und mehr als elf Meter breiten Schubverbänden zwischen Berlin und Hannover ermöglichen soll.

Mit der Erschließung neuer „Geschäftsfelder“ erhofft man sich eine hundertprozentige Auslastung. Die DBR will bis nach der Jahrtausendwende von den Berliner Großbauvorhaben profitieren. Wurden im letzten halben Jahr über 300.000 Tonnen Erdaushub von wassernahen Baustellen per Schiff transportiert, soll die vor zwei Tagen in Betrieb genommene Verladeanlage am Landwehrkanal bis zu 8.000 Tonnen täglich auf Schiffe verladen. Die Umschlaganlage in unmittelbarer Nähe zum Baulogistikzentrum am Potsdamer Platz ersetzt etwa 3.000 Lkw- Fahrten pro Tag.

Norman Halfar, Leiter der Berliner Geschäftsstelle des Bundesverbandes der Deutschen Binnenschiffahrt, verzeichnet einen Aufwärtstrend. Wurden 1993 im Berliner Raum insgesamt neun Millionen Tonnen per Schiff verschickt, waren es im vergangenen Jahr zwei Millionen Tonnen mehr. Dabei handelt es sich vorwiegend um Massengüter wie feste und flüssige Brennstoffe und Baumaterial. Barbara Bollwahn

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