: Geheime Aussagen
■ Unter Ausschluß der Öffentlichkeit: BND-V-Männer im Plutonium-Prozeß
München (taz) – „Rafa“, der Kronzeuge der Anklage, ist für die Öffentlichkeit tabu. Nichtöffentlich vernahm das Münchner Landgericht den V-Mann des Bundesnachrichtendienstes (BND) Rafael Ferreras Fernandez, genannt „Rafa“. Er soll die wegen Plutonium-Schmuggels vor Gericht stehenden zwei Spanier und einen Kolumbianer des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz überführen. Die Verteidigung sieht in „Rafa“ jedoch den „agent provocateur“, der den Schmuggel von 363 Gramm waffenfähigen Plutoniums am 10. August letzten Jahres per Lufthansa von Moskau nach München unter Inaussichtstellung von horrenden Summen eingefädelt hat. „Rafas bisherige Aussagen haben den Verdacht der Inszenierung erhärtet“, betonte Rechtsanwalt Sewarion Kirkitadse in einer Verhandlungspause.
Neben „Rafa“ darf auch der Dolmetscher bei den Transaktionen, der BND-Mann „Adrian“, nur geheim befragt werden. Sonst hätte der BND die Zeugen nicht aussagen lassen. Richter Heinz Alert folgte der BND-Argumentation von der angeblichen Gefährdung der V-Männer durch die Preisgabe ihrer Identität. Nur ein BND-Mann und Ex-Staatssekretär Neusel als Beobachter des Bundestags durften anwesend sein. Hatten der BND, die bayerische Staatsregierung und Geheimdienstkoordinator, Staatsminister Bernd Schmidbauer, im August 1994 noch den „Schlag gegen die internationale Atom-Mafia“ gefeiert, stehen jetzt „Rafa“, „Adrian“ und vor allem ein „Roberto“ im Verdacht der Tatprovokation. Für die Angeklagten wäre eine Anstiftung von strafmilderndem Gewicht. Schließlich warten auf den Kolumbianer Torres-Benitez sowie die Spanier Bengoechea-Arratibel und Oroz-Eguia Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Oft hatten sie einen „großen Deutschen mit rotem Jackett“ erwähnt, der bei den Treffen in Madrid das Gespräch überhaupt erst auf Plutonium gebracht und auf München als Übergabeort gedrängt habe. Laut Spiegel ist dieser „Deutsche“ mit einem V-Mann von Bundeskriminalamt (BKA) und BND namens „Roberto“ identisch. Inzwischen hat auch Geheimdienstkoordinator Schmidbauer die Anwesenheit dieses BKA-V-Mannes in Madrid eingeräumt. Und auch „Rafa“ sagte laut Kirkitadse aus, daß ein „Roberto“ in die Vorbereitungen des Plutonium-Deals verstrickt gewesen sei. In der Anklageschrift sucht man solches vergebens. Bernd Siegler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen