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SPD-Senatorinnen gegen Sperrbezirk

■ Innenbehörde legt eine Verordnung für einen Sperrbezirk rund um die Kurfürstenstraße in Tiergarten vor / SPD lehnt ab

„Ein altes Thema, das vor dem Wahlkampf neu aufgewärmt wird“, nennt Tiergartens Bezirksbürgermeister Wolfgang Naujokat (SPD) den Versuch der Innenbehörde, wenige Monate vor Ende der Legislaturperiode rund um die Kurfürstenstraße einen Sperrbezirk einzurichten.

Nach einer fertig ausgearbeiteten Verordnung aus dem Hause von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) soll Prostitution entlang der Bülowstraße, Zietenstraße, An der Apostelkirche, Kurmärkischen Straße, Genthiner Straße, Lützowstraße und Potsdamer Straße künftig verboten werden. Doch aus der Umsetzung des Heckelmann-Papieres wird voraussichtlich nichts: Die zustimmungspflichtigen SPD-Senatorinnen Ingrid Stahmer (Soziales und Jugend), Christine Bergmann (Arbeit und Frauen) und Lore Maria Peschel-Gutzeit (Justiz) haben sich darauf geeinigt, die Vorlage nicht zu unterzeichnen. Mit einem Sperrbezirk werde das Problem der Straßenprostitution „nicht gelöst, sondern nur in andere Gebiete verlagert“, begründete gestern der Sprecher der Sozialverwaltung, Wolfgang Zügel, die ablehnende Haltung der SPD-Senatorinnen. Auch die SPD-Fraktion kündigte ihren Widerstand an und will einem Sperrbezirk nicht zustimmen. Damit würden Prostituierte nicht nur in städtische Randgebiete verdrängt, sondern die Zuhälterei gefördert sowie zur Kriminalisierung beigetragen, meinte die frauenpolitische Sprecherin der SPD, Ulrike Neumann.

Um die Einrichtung eines Sperrbezirks in Tiergarten wird seit Jahren gestritten. 1991 hatte eine Anwohnerinitiative der Lützow- und Kurfürstenstraße, die am stärksten von Prostitution, dem Drogenhandel, der Zuhälterei und dem nächtlichen Autolärm der Freier betroffen sind, eine solche Maßnahme gefordert. Die von der SPD und CDU im Bezirk unterstützte Aktion versandete, nachdem nicht nur der Rat der Bezirksbürgermeister das Vorhaben abgelehnt, sondern auch die Innenbehörde ihre Skepsis gegenüber einer Tabuzone geäußert hatte. Im November 1993 schlug Heckelmanns damaliger Staatssekretär Armin Jäger (CDU) jedoch neue Töne an und versprach den Anwohnern eine Rechtsverordnung, mit der die Straßenprostitution eingedämmt werden sollte. Begründet wurde die plötzliche Kehrtwende mit der Zuspitzung der hygienischen Verhältnisse, insbesondere durch weggeworfene Spritzen auf Kinderspielplätzen.

Völlig überrumpelt von der jetzigen Verordnung wurde der betroffene Bezirk. Tiergartens Bürgermeister Naujokat bezweifelte gestern, ob ein derart verästelter Sperrbezirk „polizeilich durchsetzbar ist“. Wenig Wirkung hätten auch die nächtlichen Fahrverbote in einigen Straßen gezeigt, mit denen der Verkehr der Freier verringert werden sollte. Diese Maßnahme habe nur „punktuell“ geholfen, meint Naujokat. Denn wo eine effektive Kontrolle fehle, werde eben auch durchgefahren. Severin Weiland

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