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Japanische Pleite mit Rockefeller Center

■ Das Wahrzeichen von New York ist wieder voll in amerikanischer Hand

New York (taz) – Ein Symbol geht in Konkurs: Das Rockefeller Center, touristisches Wahrzeichen in Midtown-Manhattan und Monument des sprichwörtlichen Reichtums einer einzigen Familie. Für die Mieter des 22 Hektar großen Gebäudekomplexes im Art déco, den Fernsehsender NBC, die Nachrichtenagentur AP, General Electric, Radio City Music Hall sowie die zahlreichen Kleinunternehmen, die Geschäfte und Restaurants, wird die Pleite keine Konsequenzen haben. Lediglich die beiden Besitzer der Immobilie, der japanische Hauptanteilseigner, die Mitsubishi Estate Company, die 80 Prozent hält, und der Rockefeller Familien-Trust mit seinen verbleibenden 20 Prozent, zahlen kräftig drauf.

Wobei die Rockefellers gar nicht so schlecht wegkommen. Für sie ist der Konkurs lediglich eine vermeidbare Peinlichkeit: „Ich gab der Hoffnung Ausdruck“, sagt David, das derzeitige geschäftsführende Familienoberhaupt, „daß Mitsubishi den Stand und die Redlichkeit der Rockefeller-Familie respektieren und als einen erhaltenswerten Reichtum betrachten würde.“ Richtig erwischt hat es dagegen die japanischen Investoren, und die sind sauer. Die Tycoon- Enkel hatten nämlich beim Verkauf ihrer Anteile 1989 und 1991 ein Schnäppchen gemacht. Mitsubishi hatte damals auf dem Höhepunkt der Immobilienspekulation 1,4 Milliarden Dollar für seinen Anteil bezahlt, der nach heutigen Schätzungen noch gerade die Hälfte wert ist. Außerdem war den Japanern eine Welle von Neid und Fremdenfeindlichkeit entgegengeschwappt. Aber den Rockefellers blieb keine andere Wahl. Sie hatten einen erheblichen Bedarf an Cash und das Center 1984 mit einer 1,3 Milliarden schweren Hypothek belastet. Schon damals war klar, daß die Einkünfte aus Mieten die Zinslast nicht bis 1994 decken würden. Hinzu kam, daß in den 80ern in die Neustrukturierung der Büros investiert werden mußte.

Zum Zeitpunkt des Kaufs konnte Mitsubishi noch auf den unendlichen Anstieg der Büromieten hoffen. Als das Geschäft aber Anfang der 90er abgeschlossen war, kollabierte der New Yorker Immobilienmarkt. Die Mieten für Büroflächen sanken um bis zu 40 Prozent. Gleichzeitig lief ein Drittel aller Mietverträge im Rockefeller Center aus. Mitsubishi hatte seitdem zusätzlich zum Kaufpreis über 600 Millionen Dollar für die laufenden Kosten zu begleichen. Dementsprechend waren die Japaner nicht entzückt, als David Rockefeller vorschlug, die Hypothek, die mit Zinsforderungen von jährlich 40 Millionen drückte, einfach zu kaufen. Irgendwie fühlten sie sich über den Tisch gezogen, und so beschwerte sich auch ein Sprecher von Mitsubishi, daß „das Geld, das wir aufzubringen hatten, zusätzlich zu den enormen Verlusten [kam], während sie [die Rockefellers] nur einen Teil ihrer gewaltigen Gewinne zu reinvestieren hatten“. Mitsubishi ging zum amerikanischen Konkursrichter. Der Konzern nimmt damit immense Steuern in Kauf. Soweit die nachvollziehbare Geschichte. Daß es jedoch möglicherweise nicht nur ums Geld, sondern auch um den Stolz geht, deutet die Bemerkung eines Mitsubishi-Sprechers an: „Die Steuerforderungen des Konkurses werden 38 Millionen weit übersteigen; aber wir haben die Entscheidungen nicht nur aufgrund ökonomischer Überlegungen getroffen. Wir erwarteten eine Geste der Rockefellers, ein Zugeständnis.“ Ein kleines Zugeständnis kam tatsächlich, aber sehr spät. So spät, daß Mitsubishi nicht mehr von der Ernsthaftigkeit der Tycoon-Enkel zu überzeugen war. Früh genug jedoch für die amerikanische Presse, daß die Weste der Rockefellers weiß bleiben konnte. Die New York Times mischt die Genugtuung, daß man ein nationales Denkmal zwar kaufen, aber nicht erwerben kann, mit dem Stolz, daß die Rockefellers gegen die ungeliebten Japaner immer noch einen guten Schnitt machen konnten. Stefan Matzig

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