: Die registrierte Homoehe
■ Interview mit dem niedersächsischen Sozialminister Walter Hiller, der für lesbische und schwule Paare die standesamtlich eingetragene Lebensgemeinschaft schaffen will
taz: Warum wollen Sie für schwule und lesbische Paare ein neues Rechtsinstitut schaffen?
Walter Hiller: In unserer Gesellschaft gibt es viele Schwule und Lesben, die in einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft leben wollen. Es gibt Schwule, die sind zwanzig, dreißig, vierzig Jahre zusammen, genauso wie heterosexuelle Ehepartner. Deshalb meint die niedersächsische Landesregierung, daß auch die entsprechenden rechtlichen Voraussetzungen für solche Partnerschaften geschaffen werden müssen.
Eröffnen Sie damit lesbischen oder schwulen Paaren den Weg zum Standesamt?
Ja, wir wollen die rechtliche Anerkennung solcher Partnerschaften. Natürlich ist der Weg zum Standesamt dann ein etwas anderer als bei heterosexuellen Paaren. Schwule und lesbische Partnerschaften sollen beim Standesamt registriert werden können. Die Partner erklären ihren Willen zusammenzuleben, und damit sind auch mehr Rechte für dieses Paar verbunden. Bisher hat zum Beispiel im Todesfall der Partner keinerlei Anspruch auf das Erbe, selbst wenn das Paar vierzig Jahre zusammengelebt hat.
Wie würde sich eine solche eingetragene Lebensgemeinschaft von einer Ehe noch unterscheiden?
Das Bundesverfassungsgericht hat die Ehe zwischen lesbischen oder schwulen Paaren für unvereinbar erklärt mit Artikel 6 des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt. Unser Gesetzesvorschlag trägt nun sowohl diesem Urteil als auch dem Bedürfnis lesbischer und schwuler Paare nach staatlicher Anerkennung ihrer Partnerschaft Rechnung. Wir schaffen für diese Paare ein Ersatzinstitut für die Ehe, mit dem – zumindest auf längere Sicht – alle Benachteiligungen homosexueller Paare beseitigt werden können.
Müssen Sie dann nicht erneut Probleme mit dem Bundesverfassungsgericht befürchten?
Darauf muß man es ankommen lassen. In Skandinavien gibt es bereits derartige fortschrittliche Regelungen. Warum sollte sich das Bundesverfassungsgericht einem solchen Fortschritt zu mehr Humanität und Gerechtigkeit verschließen.
Zahlreiche Schwule und Lesben lehnen eine durch den Staat geregelte Partnerschaft auch ab.
Wir halten uns bei der eingetragenen Lebensgemeinschaft an den Grundsatz: Wer sie will, der soll sie bekommen. Wer sie nicht will, kann es ja lassen. Uns geht es um Gleichstellung der Lesben und Schwulen. Auch sie müssen die Möglichkeit einer staatlich anerkannten Partnerschaft haben.
Niedersachsen kann nur über den Bundesrat aktiv werden. Der Weg bis zum Bundesgesetz ist weit.
Der Entwurf muß noch vom Landeskabinett beschlossen werden. Vor der Einbringung im Bundesrat wird dann eine Abstimmung mit den übrigen SPD-regierten Ländern folgen. Ich gehe davon aus, daß die SPD-Länder zu einer einheitlichen Meinung in unserem Sinne finden werden. Einige ostdeutsche Länder verpflichtet im übrigen schon ihre Verfassung, sich für die Gleichstellung von Schwulen und Lesben zu engagieren. Interview: Jürgen Voges
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