: „Am frühen Nachmittag sollten Empfindliche zu Hause bleiben“
■ Stephan Böse-O'Reilly, Kinderarzt aus München, über die Auswirkungen des Schadstoffes Ozon auf den menschlichen Körper
taz: Welche Wirkung hat Ozon auf den menschlichen Körper?
Böse-O'Reilly: Ozon ist ein Reizgas und wirkt auf die Schleimhäute. Zunächst einmal auf die Augenschleimhaut, die Schleimhäute im Nasen-Rachen-Raum und dann auf die Lungenschleimhaut. Ozon wird nachgesagt, daß es vor allem in den tiefen Atemwegen wirkt. In der Regel tritt es ja nicht allein auf, sondern zusammen mit anderen durch Lichteinwirkung entstandenen Schadstoffen, sogenannten Photooxidantien. Diese sind dafür verantwortlich, daß es zur Schädigungen der Augenschleimhaut kommt, zu diesem trockenen, brennenden Gefühl im Hals. Dann kann es je nach Empfindlichkeit zu asthmatischen Beschwerden kommen. Das sind die Kurzzeitwirkungen.
Das heißt, es gibt noch weitere Wirkungen, die sich erst später bemerkbar machen?
Langfristig führt das Ozon zu einem Umbau der Lunge: Die Lungenfunktionen werden immer schlechter.
Ab welchen Konzentrationen treten erste Schädigungen auf?
Ein Unbehagen kann schon eintreten bei Konzentrationen von 80 bis 200 Mikrogramm pro Kubikmeter. Besonders empfindliche Personen scheinen so ab 80 Mikrogramm erste Wirkungen zu spüren. Das gilt besonders, wenn es im Zusammenhang mit den anderen Schadstoffen vorkommt. Also wenn es kein Laborversuch ist, sondern in der normalen Stadtluft stattfindet. Bei reinem Ozon im Labor kommt man auf Konzentrationen von 200 Mikrogramm, bis erste Wirkungen auftreten.
Gab es in der Vergangenheit schon Hinweise darauf, daß Ozon auch krebsauslösend sein könnte?
Bereits 1967 gab es eine Studie, die den Verdacht äußerte, daß Ozon den Lungenkrebs fördert. Der kalifornische Wissenschaftler Buell hatte seinerzeit rund 70.000 Personen fünf Jahre beobachtet. In einem Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1979 wird diese Studie erwähnt. Die WHO zog daraus den Schluß, daß es sinnvoll wäre, diese Beobachtung weiterzuverfolgen. Auch in einer Münchner Arbeit werden Studien aus den Jahren 1962 bis 1992 zitiert, in denen davon ausgegangen wird, daß Ozon das Erbmaterial schädigen kann. Grundsätzlich ist also schon länger bekannt, daß Ozon eine kanzerogene oder gentoxische Wirkung hat. Das Erstaunliche ist, daß man ja auch schon seit längerem festgestellt hat, daß an Straßen mit verstärkter Verkehrsbelastung Kinder und Erwachsene vermehrt an Tumoren erkranken.
Was raten Sie Ihren Patienten?
Kindern oder auch Erwachsenen, die sagen, ab bestimmten Werten wie 120 oder 180 Mikrogramm hätten sie Beschwerden, rate ich, sich zu den Zeiten höchster Ozonkonzentration, also am frühen Nachmittag, drinnen aufzuhalten. Bei Personen, die keinerlei Beschwerden haben, ist es sehr schwierig, die theoretische Bedrohungen gegen die Nachteile im sozialen und psychischen Bereich aufzurechnen. Im Moment empfehlen wir bei Werten von etwa 120 bis maximal 240 Mikrogramm nur dann im Haus zu bleiben, wenn Beschwerden auftreten. Nur besonders Empfindliche wie zum Beispiel Asthmatiker sollten ab 180 Mikrogramm drinnen bleiben; bei Werten ab 240 ist dies für alle besser. Interview: Wolfgang Löhr
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