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Nachschlag

■ Fremd in Deutschland: Theater Wind-Spiel zeigt „Vorwärts!“

Ankommen an einem dunklen und fremden Ort. Allein, nur mit einem Koffer und der Vergangenheit. – Schwarze Gestalten mit weißen, konturlosen Gesichtern lösen sich plötzlich vom Hintergrund, beginnen den Raum einzunehmen, sprechen in ihren Sprachen, zeigen ihr zweites Gesicht. Der Angekommene bleibt reglos. „Vorwärts!“, das neue Projekt von Theater Wind- Spiel, ist ein Stück über die Realität der Fremden in Deutschland und somit ein Teil der Realität der SchauspielerInnen, des Regisseurs und der übrigen MitarbeiterInnen. Der kroatische Regisseur Nikša Eterović hat in „Vorwärts!“ seine Erfahrungen aus sechs Jahren Leben in Deutschland einfließen lassen. Texte von Jandl, Shakespeare, deutschen und kroatischen Schriftstellern sind fragmentarisch in die „Groteske in acht Bildern“ eingebaut.

Patricio Soto, der Clown „Pepino“, spielt sich selbst. Nicht nur als Clown, sondern auch als Schauspieler, der kein Engagement erhält. So geht er, illegal, nachts putzen. Die schwarzen Figuren mutieren jetzt zu Hexen, gegen deren Tücke der Schauspieler sich zu wehren versucht. Sind sie immer noch die Schatten der Vergangenheit oder die bedrohliche Zukunft? „Contestame! – Antworte mir!“ ruft Soto. „Welches wird mein Schicksal sein?“ Sein Schicksal ist es, in einem sogenannten „zivilisierten“ Land zu leben. „Halleluja, das Paradies ist weiß, das Paradies ist geputzt, frisch geputzt in alle Ewigkeit!“ singen die Putzhexen und tanzen mit ihren Besen. „Es gibt Intimspray und Duschen“, jauchzen sie. Doch für den Fremden gibt es zunächst die Bürokratie. Jetzt sagen die Engel des Paradieses, daß ihnen leider die Hände gebunden seien. „Die zuständige Kollegin ist im Urlaub. Tut mir leid, ich verstehe Sie überhaupt nicht. Können Sie nicht deutsch sprechen?“

Putzhexen mit Styropordreck Foto: Cristina Damasceno

Später tanzt der Ausländer mit einer Deutschen. „Gesteh, daß du frei bist, daß du glücklich bist, daß du uns liebst!“ fordert sie, und er gesteht. Eine wunderschöne kurze Szene, in der Worte, Musik und Bewegung zu einer Einheit verschmelzen, und eine der wenigen Passagen, in der das Können der sehr harmonisch wirkenden Gruppe voll zur Geltung kommt. Denn manche Szene bleibt vage, teils fehlt die Verbindung zwischen den acht Bildern, und einige DarstellerInnen sprechen – wohl aus Lampenfieber – leise und undeutlich. Aber trotz der kleinen Mängel ist „Vorwärts!“ ein sehenswerter, weil lustvoll umgesetzter Beitrag zum Thema „AusländerInnen in Deutschland“. Elke Eckert

Weitere Vorstellungen heute sowie 9.–11., 13./14. 6., 20 Uhr, Werkstatt der Kulturen, Wissmannstraße 31–33, Neukölln

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