: Nur verschwägert
■ Je weiter sich "Spiegel TV" und "stern TV" von ihren gedruckten Vorbildern entfernen, desto größer ist ihr Erfolg
Die Erfolgsformel klingt schlicht: „Wir haben uns dazu entschieden, Fernsehen zu machen.“ Natürlich weiß auch Stefan Aust, daß es mit diesem festen Vorsatz allein nicht getan ist. Doch seine Maxime faßt in einer Nußschale zusammen, was „Spiegel TV“ mit Vordenker und Frontmann Aust dahin gebracht hat, wo es heute ist. „Spiegel TV“ und „stern TV“ waren und sind die Beweise dafür, daß auch Verleger Fernsehen machen können, wenn sie die richtigen Mitarbeiter engagieren.
Leuchtender „Stern“ im dunklen Quotenloch
Stefan Aust, der frühere „Panorama“-Redakteur, und Günther Jauch sind die bekanntesten Gesichter aus den TV-Magazinen der Verlage; hinter der Popularität der beiden verblassen die anderen Angebote im elektronischen Kiosk. Ohnehin stammen ja so gut wie alle Erzeugnisse an diesem Kiosk von Alexander Kluges dctp; einzig „Bravo TV“ (RTL 2) konnte sich im Vox-Reigen aus „Format NZZ“, „Die Zeit TV Magazin“ oder „S-Zett“ noch etablieren.
Zwar stießen Kluges eigene Magazine („News & Stories“) bei RTL und Sat.1 auf wenig Gegenliebe, da sie regelmäßig zu Quotenabstürzen führen; doch mit „stern TV“ und „Spiegel TV“ schmücken sich beide Sender gern, konnten doch mit den professionellen und populären Magazinen endlich die peinlichen Versuche aus den Kindertagen des privatrechtlichen Fernsehens vergessen gemacht werden. Zu Beginn des Privatfernsehens, erinnert sich Claus-Dieter Grabner, Verlagsleiter des Heinrich Bauer Spezialzeitschriftenverlages (Bravo), „versuchte jeder Verleger, der dort beteiligt war, seine Blätter irgendwie dorthin zu vergewaltigen“.
Der Knackpunkt in der Beziehung zwischen Fernsehen und Printmedien war jener Moment, da die Verlage erkannten, daß Fernsehen anders ist, daß es Themen gibt, die in bewegten Bildern einfach besser aufgearbeitet werden können und daß andere Themen wiederum zu gähnender Langeweile führen, weil man nur verstaubte Akten und Hausfassaden vorzeigen kann. Daher dürften wohl die führenden Köpfe aller TV-Magazine unterschreiben, was Stefan Aust als Credo für „Spiegel TV“ formuliert: „Der entscheidende Punkt ist, daß wir versucht haben, mit dokumentarischen Mitteln Magazinsendungen und Reportagen zu machen. Wir versuchen, möglichst dicht an die Ereignisse heranzugehen.“
Größten Wert legt man bei „Spiegel TV“ dabei auf eine erstklassige, aufwendige Kameraarbeit. „Wir versuchen, das zu machen, was im Fernsehen das Besondere ist: Mit der Kamera zu Ereignissen und an Orte zu gehen, die man als normaler Sterblicher nicht zu sehen kriegt.“
Während die Magazine der Zeit, der Neuen Zürcher Zeitung und der Süddeutschen Zeitung quotenmäßig nicht aus dem Vox-Durchschnitt herausragen und zwar solide, aber keineswegs aufsehenerregende journalistische Arbeit liefern, ist „stern TV“ das erfolgreichste Angebot aus dem dctp-Kiosk.
Bald auch „Focus“ im Fernsehen?
Das liegt, glaubt Günther Jauch, nicht zuletzt daran, daß „stern TV“ am weitesten von allen vom gedruckten Namensvetter entfernt sei. Auch unter sämtlichen politischen Magazinen nimmt „stern TV“ eine Spitzenstellung ein. In Sachen Marktanteile ist man, so Jauch, führend (zuletzt 21,9 Prozent), gemessen an absoluten Zahlen (vier Millionen ZuschauerInnen) sei einzig „Bonn direkt“ (ZDF) erfolgreicher.
Jauch betont – wie im übrigen auch die Leiter der anderen TV- Magazine – die Autonomie seiner Sendung. Für „stern TV“ und stern gelte prinzipiell: „Beide Redaktionen arbeiten total unabhängig voneinander, informieren sich aber, woran sie gerade arbeiten.“
Der Erfolg von „stern TV“ und „Spiegel TV“ lockt natürlich Nachahmer. Ihr Erfolgsrezept, kombiniert mit dem Charisma des Shooting-Stars auf dem deutschen Zeitschriftenmarkt, Focus – das schreit geradezu nach „Focus TV“. Tatsächlich ist eine derartige Sendung schon seit längerem im Gespräch, doch derzeit ist „Focus TV“ noch ein Opfer des sensationallen Erfolges von Focus. „Wir haben die konzeptionelle Arbeit vor uns hergeschoben“, stellt Focus-Chefredakteur Helmut Markwort fest, kündigt den Start von „Focus TV“ aber definitiv für 1995 an. Die Frage ist natürlich: Welcher Sender wird sich mit dem erfolgsträchtigen Titel schmücken können? Kabel plus, Ableger des Kabelkanals und mit 49,9prozentiger Burda-Beteiligung eigentlich prädestiniert, wird es wohl nicht sein. Denn Markwort legt kategorisch fest: Reichweite ist wichtiger als Beteiligung. Ihm liegen auch öffentlich-rechtliche Angebote vor. Tilmann P. Gangloff
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