Sanssouci: Vorschlag
■ Das Unwirkliche realisieren: 220m3 Rot – Gunda Försters Lichtspiel in der Galerie Soma
Rotlichtbezirk als Kunstaktion Foto: Galerie
Insgesamt 48 mit rotem Papier umklebte Neonröhren beleuchten die rotgespritzten Wände der 220m3 Volumen umfassenden Galerie Soma. Nur durch eine der Schmalseiten der dreiseitig verglasten Schaufenstergalerie fällt mit Einbruch der Dämmerung ein roter Schimmer auf den Fußweg. Mit zunehmender Dunkelheit steigert sich der Lichteffekt in ein warmes, kräftiges Rot, das einem beim Abbiegen von der Wiener rechts in die Ohlauer Straße wie eine weiche, samtige Wolke irrational und lockend am Horizont entgegenscheint.
Seit zwei Jahren beschäftigt sich Gunda Förster ausschließlich mit der Farbe Rot. Zuletzt hatte sie im U-Bahnhof Weinmeisterstraße sämtliche Plakatwände mit schlichtem roten Papier überspannt. Eine Erläuterung zu der Aktion Rot-statt-Werbung gab es für die Fahrgäste nicht. Man kann dies als Kunst im öffentlichen Raum bezeichnen, die als solche nicht unbedingt erkennbar ist. Die Farbe Rot setzt in jedem Fall ein Signal und reizt die Wahrnehmung der oder des Vorübergehenden. Ist das eine verkappte, minimalistische Werbekampagne für Coca-Cola in Dosen, eine Fahrt ins Marlboro-Country oder ein Anschlag roter Socken? Erwartet einen an der nächsten Station eine Auflösung? Die Assoziationen sind frei und vielfältig, und das sollen sie nach Gunda Försters Absicht auch sein. Daß sie die Farbe Rot für ihre wahrnehmungsästhetischen Gedankenspiele gewählt hat, war letztlich eine emotionale Entscheidung. Rot ist die schnellste Farbe, weil sie als erstes vom Auge wahrgenommen wird. Und sie löst gegensätzliche Vorstellungen aus; man denkt an Liebe und Leidenschaft, aber auch an Aggression; an Wärme, aber auch an Kälte.
Zum ersten Mal hat Gunda Förster jetzt einen ganzen Raum in Rot inszeniert, einen eigentlich öffentlichen Raum, der aber nicht begehbar ist. Das Raumerlebnis ist daher ein zweifaches. Materiell betrachtet ist das Rot geschützt durch die Galerievitrine. Dies wird bei Tageslicht besonders deutlich. Doch nachts, wenn das Rot seine ganze Leuchtkraft entfaltet, entsteht ein zweiter nicht greifbarer atmosphärischer Raum. Die Kunst der Verfremdung realisiert das Unwirklichke in der Wirklichkeit. Petra Welzel
Bis 11.6., Tag und Nacht, Galerie Soma, Ohlauer Straße 38, Kreuzberg.
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