: Kürzungen erst die Ouvertüre
■ Zuwenig gespart, zuwenig abbezahlt, zuwenig investiert: Der erste Bremer Sanierungsbericht geht jetzt nach Bonn / Fluß zufrieden, Ziel nicht erreicht
Manfred Fluß, Senator für Finanzen, ist mit seinem Sparkurs zufrieden. „Die erste Rate der Sanierung der Bremischen Haushalte war erfolgreich“, sagte er gestern auf einer Pressekonferenz, auf der er den ersten Sanierungsbericht vorgestellt hat. Jedoch ganz ungetrübt ist die Freude nicht nach einem jahr Amtszeit nicht. „Wenigstens unter den Umständen“, räumte er ein.
Der berüchtigte Konjunktureinbruch 1993 hatte Bremen den letzten Stoß in die Schuldenfalle gegeben. Und da das Land schon vorher durch eine enorm hohe Arbeitslosenquote (in den achtziger Jahren bis knapp 16 Prozent), viele Unternehmensschließungen (AG Weser) und demzufolge ein geringes Bruttoinlandsprodukt gebeutelt war, war bekanntlich schon vorher nichts aus Bremer Töpfen zu holen. Das Bundesverfassungsgericht hatte daher 1992 dem Land Bremen eine unverschuldete Haushaltsnotlage bescheinigt und den Bund verdonnert, bis 1998 jährlich 1,8 Milliarden Mark an Bremen zu zahlen.
Seine Schulden konnte Bremen 1994 nur mit 318 Millionen Mark abzahlen. Nach dem 1992 ausgehandelten Sanierungprogramm für das Land Bremen müßten pro Jahr über eine Milliarde Mark für die Schuldentilgung aufgebracht werden.
„Das Sanierungsprogramm führt dazu, daß Bremens Schuldenstand nicht von 15,6 Milliarden Mark (Ende 1991) auf 20,6 Miliarden mark (Ende 1997) wächst, sondern auf 10,4 Milliarden Mark sinkt“, hieß es damals in der Vereinbarung zwischen Bremen und Bonn. Mittlerweile sind die Schulden auf 17,15 Milliarden geklettert, die 318 Millionen schon abgezogen. Von der damals angepeilten Entlastung ist das Land also weit entfernt.
Und so tröpfelt der Geldfluß dann auch nur in die Töpfe des Investitionssonderprogramms (ISP). Die durch die verminderten Kredite eingesparten Zinsen sollten das ISP speisen. Doch je geringer der Abtrag, desto schmaler der vermeintliche Zinsgewinn. So sparten die Bremer Finanzwächter 1994 lediglich 58 Millionen Mark. Eher bescheiden, schaut man sich die noch im Sanierungsprogramm 1992 erhofften Zinseinsparungen von 224 Millionen für das vergangene Jahr an.
Für das laufende Haushaltsjahr sieht es auch nicht besser aus. Finanzsenator Fluß rechnet nur mit 270 Millionen Mark, um den Schuldenberg dieses Jahr abzutragen. Trotzdem sollen aus den real nicht vorkommenden Zinsersparnissen 126 Millionen Mark in das ISP fließen. Das Geld wird vom Finanzressort vorfinanziert, genauso wie im vergangenen Jahr.
Die neuen und alten Haushaltslöcher stopft Fluß durch weitere Personaleinsparungen im öffentlichen Dienst. Schon 1994 baute er 2 Prozent der Arbeitsplätze ab, das sind immerhin 473 Menschen weniger auf den Gehaltslisten. Außerdem stehen weitere Privatisierungen und Ausgliederungen städtischer Betriebe bevor. Dazu mochte sich Manfred Fluß jedoch vor etwaigen Koalitionsvereinbarungen nicht äußern.
Die ISP-Millionen wurden und werden für „Wirtschaft- und Finanzkraft stärkende Maßnahmen“ eingesetzt. So sieht es das Sanierungsprogramm vor. Darunter fallen vor allem Gewerbeflächen wie am Flughafen und Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur. Auch die Universität hat was von dem Geld, bekommt sie doch ein neues Institut für Umwelttechnik.
Nicht recht anfreunden kann sich Finanzsenator Fluß jedoch mit der Straßenbahn-Linie 4. Bislang sind aus dem ISP 281.000 Mark für die Planung der umstrittenen Tram in den nächsten drei Jahren bewilligt. „Bis dahin kann das Bauressort noch Gründe für eine Weiterfinanzierung bringen“, sagte Fluß gestern.
Aber jedenfalls mit einem Wert kann sich der Finanzsenator sehen lassen. Unter seinem Spardiktat hat das Land nur 1,1 Prozent mehr Geld ausgegeben als im Jahr zuvor. Damit liegt Bremen unter dem Bundesdurchschnitt von 1,5 Prozent. Und die Bonner Finanzgeber hatten im Sanierungsvertrag sogar 3 Prozent gestattet. ufo
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