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Frauenmorde kosten das Doppelte

■ Die thematisch nicht allzu ausgewogene Filmreihe „Jenseits von Hollywood“ im Checkpoint-Kino lädt zu mancher Wiederentdeckung ein. Hier einige Beispiele

Hollywood ist bekanntermaßen nur ein Stadtteil von Los Angeles, die Klassifizierung „Jenseits von Hollywood“ läßt also ziemlich viel Raum. Auch der Untertitel der Reihe im Checkpoint, „Acht Filme 1958–1978“, grenzt die Auswahl kaum weiter ein. Ergebnis sind dreimal Horror, dreimal Killer, eine Komödie, ein Anti-Rassismus-Drama, sechsmal Schwarzweiß, zweimal Farbe.

Zwei Regisseure (George A. Romero und Michael Roemer) sind gleich zweimal vertreten, von anderen ist der einzige Spielfilm ihrer Karriere zu sehen. Zwei Filme sind Klassiker, vier wiederentdeckte Kultobjekte, einer wartet noch auf seine Würdigung, und vom achten weiß man nicht so recht. Die Titel von zwei Filmen dienten später als Bandnamen.

Tatsächlich einziges verbindendes Element ist der Geldmangel, unter dem sie entstanden sind und der ihnen auch seinen Stempel aufgedrückt hat, nichtsdestotrotz ist ein Film sogar mitten in Hollywood entstanden, mit dem Geld eines großen Studios, wenn auch ohne von ihm kontrolliert zu werden.

Der teuerste der acht Streifen dürfte „Night of the Living Dead“ gewesen sein. Ganz sicher war George A. Romeros Zombie- Klassiker von 1962 der erfolgreichste und löste eine ganze Serie von Nachzüglern und haufenweise bemühte Interpretationen aus, die glaubhaft versicherten, daß Romero äußerst präzise mindestens den Zustand der amerikanischen Gesellschaft, wenn nicht sogar der Welt dargestellt hätte. So oder so, immer wieder nett zu sehen.

Vor allem die Killer- und Gangster-Filme aus den Sechzigern und vom Ende der Fünfziger, die zu ihrer Zeit meist nur für die schnelle Mark produziert wurden, erlebten in den letzten Jahren ein verdientes Comeback, nahmen sie doch damals schon voraus, was viele Horror- und Splatter-Filmer erst in den Achtzigern zu zeigen wagten. Die moralische Rechtfertigung für die Wiederentdeckung lieferten Coppola, Scorsese und andere mit ihren Mafia-Dramen.

So mutierte „The Honeymoon Killers“ (1969) von Leonard Kastle, die Geschichte eines grauselig mordenden Heiratsschwindlerpärchens, vom Billigfilmchen über den Kultstatus zur allseits geschätzten „hervorragend schwarzweiß fotografierten, sehr zynischen Satire auf den american way of life“ (rororo-Lexikon). Eine überaus rüde amerikanische Punkband freute sich über den Großvater aller „Natural Born Killers“ und adaptierte den Namen.

„Blast of Silence“ (1961), die einzige Arbeit fürs Kino von Allen Baron, wurde vor wenigen Jahren wiederentdeckt, und so zog der schweigsamste Killer nach Kaurismäkis Streichholzfabrik-Mädchen erfolgreich durch die einschlägigen Programmkinos. Gleiches widerfuhr „The Plot Against Harry“ (1969) von Michael Roemer, einer wahnwitzigen Komödie um einen Kleinganoven, der mit einem fatalistischen Zug um den schiefen Mund eine geschäftliche, persönliche und familiäre Katastrophe nach der anderen registrieren muß. Im Gegensatz zu „Harry“ wartet „Nothing but a Man“ (1964), der Debüt- Streifen von Roemer, eines 1938 ausgewanderten Berliners, noch auf seine Wiederentdeckung.

Mit einem trockenen Realismus, der in Hollywood heute noch nicht möglich wäre, wird gut drei Jahre vor dem Höhepunkt der Bürgerrechtsbewegung die Anpassung eines Afroamerikaners geschildert. Aufgewachsen in den Nordstaaten, bleibt er wegen der Liebe in Alabama hängen und wird dort mit dem alltäglichen Rassismus konfrontiert.

„Murder by Contract“ (1958) ist der einzige Film der Reihe, der im Herzen von Hollywood hergestellt wurde. Die Columbia gab 80.000 Dollar und keinen Cent mehr, damit der Dokumentarfilmer Irving Lerner einen exakt 80 Minuten langen Film herstelle, der Doppelvorstellungen auffüllen sollte. Dafür hatte er völlig freie Hand.

Das Ergebnis ist ein schnörkelloses Berufskiller-Epos, das durch Nebenrollen unterhält, in dem Pat und Patachon als Gangster wiederauferstehen, und irritiert durch die penetrante Bürokraten-Mentalität des Auftragsmörders, der eine ebenso einleuchtende wie unromantische Erklärung dafür liefert, warum er Probleme damit hat, Frauen umzubringen: „Ich habe keine Gefühle, aber bei Frauen verlange ich das Doppelte. Frauen können nicht still stehen.“ Thomas Winkler

Reihe: „Jenseits von Hollywood“, bis 31.5. im Checkpoint, Leipziger Straße 55, Mitte

Heute und morgen: „Carnival of Souls“ (Herk Harvey, OF), 20.30 Uhr; „Night of the Living Dead“ (George A. Romero, OF)

Am 20.5.: „Carnival of Souls“, 20.30 Uhr; Romero-Doppel („Night of the Living Dead“/ „Martin“), 22.30 Uhr

Weitere Programmhinweise unter Telefon: 2082995.

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