: Hilfe, Hilfe! – Polizei, Polizei!
■ Eine Untersuchung über Fremdenfeindlichkeit unter den Ordnungshütern und eine Studie, die Plänen zur internationalen Kooperation der Polizeien nachgeht
Bücher über die Polizei sind rar, und die wenigen sind meist in Fachchinesisch geschrieben. Über zwei erfreuliche Ausnahmen ist zu berichten. An beiden ist das Berliner Institut für Bürgerrechte & Öffentliche Sicherheit beteiligt. In einem Fall untersucht dessen Polizeikenner Otto Diederichs als Herausgeber des Taschenbuches „Hilfe – Polizei!“ die Frage der Fremdenfeindlichkeit unter Deutschlands Polizeibeamten. Im anderen Fall beschäftigt sich der Polizeiforscher Heiner Busch unter dem Titel „Grenzlose Polizei?“ mit der Entwicklung der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa.
Die Polizei ist in Verruf geraten. Ob die rassistischen Krawalle von Hoyerswerda, die jünsgt bekanntgewordenen Mißhandlungen von AusländerInnen auf den Revieren in Hamburg, Bernau und Berlin oder der berühmt-berüchtigte Magdeburger Herrentag: gemeinsamer Nenner ist das Versagen der Polizeibehörden.
Auf die Formel „polizeilicher Rassismus“ läßt sich das eklatante Fehlverhalten von Polzisten allerdings nicht reduzieren, schreibt Diederichs. Vielmehr sei es „ein Problem der Institution Polizei und ihrer Rolle in der Gesellschaft“. Ursächlich für polizeiliches Fehlverhalten macht Diederichs unter anderem die hierarchischen Strukturen der Polizeidienste aus. Diese erleichterten zwar ohne Zweifel die Führbarkeit der einzelnen Beamten, sie degradierten aber PolizistInnen „zu BefehlsempfängerInnen, die schließlich zu der Meinung gelangen, sie seien für die Folgen ihres Tuns nicht (mehr) verantwortlich“. In der Folge machten dann „PolizistInnen von ihrem Recht (und der Pflicht) auf Remonstration, das heißt den Widerspruch gegen unrechtmäßige oder als unrechtmäßig empfundene Befehle, kaum Gebrauch“.
Als weiteres Problemfeld macht Otto Diederichs die Aus- und Weiterbildung von Polizeibeamten aus. Das Weltbild künftiger Polizeimitarbeiter sei im allgemeinen ohnehin schon konservativ gestrickt, „mit Beginn der Ausbildung treten die jungen Menschen dann in die geschlossene Lebenswelt der Institution Polizei ein, die für sie später kaum noch zu durchbrechen ist“. Den polizeilichen Alltag dominierten folgerichtig Formeln wie: „Vergeßt mal, was ihr in der Ausbidung gelernt habt, jetzt machen wir Polizisten aus euch.“ Und Widerspruch, so Diederichs, wird unter den KollegInnen schnell erstickt. Etwa mit Aussagen wie: „Früher, da gab es keine Leute bei uns, die die Polizei in der Öffentlichkeit schlechtgemacht hätten.“
Rassistische Vorfälle in den Reihen der Polizei werden auch durch Alltagserfahrungen der Beamten unterstützt. So sei die polizeiliche Anwendung des Asylrechts schon tendenziell rassistisch, weil in ihm Sonderrechte etwa im Bereich der „aufenthaltsrechtlichen Strafvorschriften“ festgehalten sind. Daß diese qua Gesetz festgeschriebene Haltung dann auf die einzelnen Polizisten abfärbe, dürfe „dann nicht mehr verwundern.“ Diederichs Ausblick ist notwendigerweise skeptisch: „Was not tut, ist eine grundsätzliche Umorientierung und Neudefinierung des gesellschaftlichen Auftrages der Polizei. Daran mitzuwirken ist eine Notwendigkeit aller fortschrittlichen Gruppen, Organisationen und Kräfte. Es wird nicht einfach sein.“
Nicht einfach hatte es auch Heiner Busch bei den Recherchen zu seinem Buch „Grenzenlose Polizei?“. Die zunehmende polizeiliche Zusammenarbeit auf europäischer Ebene ist seit der Verabschiedung der Schengener Verträge zwar allseits bekannt – Ausführungsvorschriften und Verträge, die die internationale Kooperation regeln, tragen aber häufig den Stempel der Geheimhaltung. Mühsam mußte der Autor die Unterlagen zusammentragen. Papiere diverser Ausschußsitzungen etwa oder Antworten auf parlamentarische Anfragen.
Den Titel dürfte Busch daher nicht ganz zufällig mehrdeutig gewählt haben. Sein Resümee: „Ist die Kontrolle von Polizei und Exekutive innerstaatlich schon kein Ruhmesblatt [...], beweisen sie [die Kontrollen, d. Red.] dort, wo es um die europäische und internationale Zusammenarbeit der Polizeien geht, ihr Versagen fast gänzlich.“
Detailliert widmet sich Busch auf über 400 Seiten der Entwicklung und den Formen der internationalen Kooperation sowie der „Verpolizeilichung der Ausländer- und Asylpolitik“ in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Ebenso wie Otto Diederichs zieht auch Heiner Busch eine eher skeptische Bilanz:
„Die demokratische, an Bürgerrechten orientierte Politik ist gegenüber der wachsenden Internationalisierung polizeilicher Tätigkeit in die Defensive geraten. Die Abstraktion staatlicher Herrschaft, die wir bereits im nationalen Rahmen konstatieren mußten, wendet sich dort, wo der ohnehin schon beschränkte Wirkungskreis nationaler Verfassungen und Rechtsordnungen verlassen wird, gegen eine Politik, die an konkreten Rechten und faßbaren Freiheiten orientiert ist.“ Wolfgang Gast
Otto Diederichs (Hrsg.): „Hilfe – Polizei! Fremdenfeindlichkeit bei Deutschlands Ordnungshütern“. Elefanten Press Verlag, Berlin 1995, 155 Seiten, 24,90 DM
Heiner Busch: „Grenzenlose Polizei?“ Verlag Westfälisches Dampfboot, Münster 1995, 442 Seiten, 44 DM
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