: Nagel stoppt Aufträge für Kanzler-U-Bahn
■ Weisung des Bausenators: Nur noch planen, nicht bauen / Unter Kanzleramt soll nur leere Betonröhre entstehen
Die ersten Bäume an der Straße Unter den Linden sollten im Herbst der Motorsäge zum Opfer fallen – für den Bau der U-Bahn- Linie 5, die vom Alexanderplatz zum Reichstag und dann unter dem neu zu bauenden Kanzleramt zum geplanten Lehrter Bahnhof führen soll. Für die Linden gibt es jetzt einen Aufschub von möglicherweise mehreren Jahren. Denn wie Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) auf Anfrage mitteilte, habe er seine Verwaltung angewiesen, die 4,2 Kilometer lange unterirdische Röhre zwar noch weiterzuplanen, aber für das Stück zwischen Reichstag und Alex vorerst keine Bauaufträge zu erteilen. Wegen leerer Kassen in Berlin und Bonn rechne er mit einer Verzögerung des U-Bahn-Baus um „drei bis fünf Jahre“, sagte Nagel. Die U 5 vom Alex bis zum Lehrter Bahnhof soll 1,3 Milliarden Mark kosten.
Eine Verzögerung beim Bau der „Kanzler-U-Bahn“ sei aus finanziellen Gründen ratsam, meinte Nagel. Unter anderem weil im diesjährigen Landeshaushalt die Tariferhöhung von 3,2 Prozent im öffentlichen Dienst höher als gedacht ausgefallen ist, muß ein neues Loch von 150 Millionen Mark in der Landeskasse gestopft werden. Außerdem würden auch die Bundesmittel für die U 5 nicht so bereitgestellt wie ursprünglich vorgesehen, berichtete der Bausenator. Mit dem Hauptstadtvertrag fließen aus Bonn nach Berlin zwischen 1995 und dem Jahr 2004 eine Milliarde Mark für Verkehrsprojekte und 300 Millionen Mark für die Förderung von Kultur. Obwohl Bonn die letzte Rate für die U 5 ursprünglich bis zum Jahr 2002 zahlen wollte, will Finanzminister Theo Waigel (CSU) die Geldzahlungen bis 2004 „strecken“, sagte Nagel. Der Senator will verhindern, daß wegen der U 5 etwa am Bau von Kindertagesstätten und Schulen gespart werden muß.
Das Bundesfinanzministerium dementierte, daß Bonn die Hauptstadtgelder verzögert auszahlen werde. „Wir halten uns an den Vertrag“, sagte ein Sprecher. Da allerdings nicht die gesamte Milliarde für Verkehr auf einen Schlag gezahlt werden könne, müßten Prioritäten gesetzt werden. Die Projekte im Spreebogen – dort queren Eisenbahn-, Auto- und U-Bahn-Tunnel das Regierungsviertel – seien die wichtigsten.
Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ist nicht über Nagels verwaltungsinterne Weisung informiert. „Wir gehen von dem pünktlichen Bau der U 5 aus“, sagte Senatssprecher Michael-Andreas Butz.
Schwerwiegende Auswirkungen einer mehrjährigen Verzögerung erwartete Nagel nicht. Solange es um einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gehe, kann er sich eine Zwischenlösung in Form von Busspuren vorstellen. Der Lehrter Bahnhof, der 2002 fertiggestellt sein soll, sei über die Stadtbahn mit dem öffentlichen Nahverkehr gut erreichbar. Die spätere Fertigstellung der U 5 werde keine Probleme bereiten. Unter dem Kanzleramt werde beim Bau der Tunnelanlage eine leere Betonröhre für die U-Bahn mitgebaut. Nagel will das Thema vor der Sommerpause auf die Tagesordnung des Senats setzen. Dirk Wildt
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