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Gewohnt shockige Art ...

■ T-Shirt-Moden werden auch immer verrückter. Vorsicht: Is uncool, Man!

„Nirgends kleidet man sich derart abscheulich, mit einer derart totalen Abwesenheit von Geschmack. Die Deutschen haben entweder den Geschmack verloren oder sie haben nie welchen besessen... Dafür sind sie auf wirtschaftlichem Sektor Prachtkerle“, erkannte schon Anton Tschechow. Der Shirt-Shock-Katalog, mit dem sich Pete Shock, Rob Shock und Wörn Shock, „das kleidsamste Trio seit Erfindung der Baumwolle“, „in gewohnt shockiger Art“ die Ehre geben, bestätigt nicht nur den Dichter, er ist auch ein lehrreiches Zeugnis bundesdeutscher Alltagsgeschichte.

Schon die Sprache, in der die fidelen Kleinunternehmer aus Fürth ihre Kundschaft begrüßen, ist interessant und läßt auf traurige Jugendvergreisung in westdeutschen Haschbierschwemmen schließen: „Ich bin das Shirt — Dein Shock, Du sollst keinen anderen Shock neben mir haben“, heißt es im Katalog. „Her mit dem Schotter! Aber Vorsicht man, die Teile sind nicht bloß kühl“, rufen Pete Shock, Rob Shock und Wörn Shock, die demnächst oder vielleicht schon jetzt „in's Kampftrinker-Paradies Mallorca“ fahren. Zuvor möchten sie jedoch „noch ein paar special thanx loswerden“: bei „Anton aus St. Anton für das tolle Cover (hey man, far out!)“ und bei „Prostata- Steven, dem durstigsten Benz-Fahrer und DTP-Spezialisten“. So heißen in Westdeutschland nämlich gern Männer um die vierzig: Prostata-Steven, Wörn, Rob und Pete. Ihre „Shirt-Shock-Shirts“ wenden sich an ein breites Spektrum diverser bekennender Konsumentengruppen: für Liebhaber oraler Sexpraktiken („Alkoholkontrolle! Bitte blasen!“), Antirassisten, Freunde geschlechtlicher Anmachbilder und -Appelle („Zieh dich aus, leg dich hin, ich muß mit dir reden“ etc.) gibt es jeweils sechs, für Haschraucher acht, Biertrinker neun und für Eugen Drevermann („Hang the pope“) zehn lustige Motive. Während Bullen- und Deutschlandhasser ihre Gefühle nur viermal auf ihrem T-Shirt variieren dürfen, können deutsche Jungmänner mit dreizehn verschiedenen Zoten à la „Lieber blond und eng als black and wide“ ihre Umwelt „schockieren“. Techno-, Rap- und Nazifeinde, Heiratsgegner und Blondinen werden eher spärlich bedacht.

Dafür können Käferfahrer zwischen 22 (!!) verschiedenen Volkswagen-T-Shirts wählen.Wer ein T- Shirt trägt, auf dem „Maulhalten Arschlecken“ steht, wird sicher auch ein Arschloch sein (die „Ich bin ein Arschloch“-T-Shirts sind übrigens scheinbar aus der Mode gekommen – schnellebig ist die Zeit!).

Leute, die mit „Hitler-Ficker!“ trinken gehen, werden vermutlich humorvoll hedonistische Antirassisten sein. Doch was mag nur in Menschen vorgehen, die mit einem zehnfachen „Ficken willi“ durch die Gegend schlurfen; was mag Männer dazu bewegen, ein Photo durch die Gegend zu tragen, auf dem ein Mund gar zärtlich einen Schwanz umschließt? Sind das Sexbefürworter oder eher Sexgegner? Sind schwerstgestört und demzufolge eher unglücklich, welche mit einem „Ich bin Gynäkologe, bitte lassen Sie mich rein“ durch Westdeutschland wandern? Was mag da im ödipalen Dreieck so alles an Schrecklichem geschehen sein? Was sagt Theweleit dazu, und was macht das Leben in Fürth so unerträglich, und wo liegt Fürth überhaupt? Oder Schweinfurt? Fragen über Fragen. Detlef Kuhlbrodt

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