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Opportunistischer Spagat

■ betr.: „Kroaten sind keine Usta schen“, taz vom 8. 5. 95

Ich frage mich, welches Demokratieverständnis Rathfelder besitzt, wenn er angesichts der politischen Verhältnisse und der „äußerst disziplinierten“ kroatischen Militärs beinahe ins Schwärmen gerät. Von der landesweiten Gleichschaltung der Medien und der Besetzung höchster Ämter durch Mitglieder des Tudjman- Clans müßte er schon gehört haben. Auch gehe ich davon aus, daß sich Rathfelder mit der neuen kroatischen Verfassung beschäftigt hat und offenen Auges durch das Land fährt. So wird ihm sicher nicht entgangen sein, mit welcher Omnipotenz das Repertoire an Ustascha-Symbolik wieder aufgefahren wird (warum wohl sind in Deutschland NS-Symbole verboten?), wie kroatische HistorikerInnen bemüht werden, aus dem Fundus der Geschichte endlich die Rechtfertigung zur „Existenz der kroatischen Nation“ herauszufiltern und auch die Heilige Katholische Kirche unentwegt an Tudjmans Seite Flagge zeigt, und sei es „nur“, um Mordwerkzeuge zu weihen. Das lehrt auch einen Nicht- Serben das Fürchten!

Rathfelder argumentiert lieber mit Jasenovac. Es ist schon geschmacklos genug, wie er Tudjmans Zahlenkorrekturen entschuldigt. An anderer Stelle sind ihm 10.000 Tote nicht zu schade, um damit den serbischen Faschismus zu begründen, der übrigens in jugoslawischen Geschichtsbüchern unter „Kollaboration und Kriegsverbrechen“ auch für Rathfelder einsehbar wäre. Bei deutschen Historikern wie Sudhaussen, Haberl, Oslhausen, Fricke u.a. könnte er nachlesen, daß Wehrmachtsberichte an das OKW existieren, in denen 1941 von 200.000 und 1943 von 400.000 getöteten SerbInnen durch die Ustascha die Rede ist. Dazu Glaise-Horstenau, 1943: „In der Tat ist die Ustascha- Bewegung mit ihrer wahnsinnigen Ausrottungspolitik und ihren Greueltaten zum Symbol der mißglückten Staatsschöpfung geworden.“ Das war selbst den NS- Schergen zuviel! Das Nedić-Regime (das Rathfelder vermutlich mit „Nadic“ meint) wurde von den Deutschen nicht unterstützt, sondern eigens berufen, um die serbische Bevölkerung, die im NS-Jargon „bandenverdächtige Bevölkerung“ hieß, mit repressiven Mitteln ruhigzustellen. Der berüchtigte OKW-Befehl Nr. 888 lautet: 50 bis 100 SerbInnen für einen aus dem Hinterhalt getöteten dt. Soldaten!

Ich lasse offen, wem Rathfelder mit seiner unsorgfältig recherchierten Berichterstattung eine Gunst erweist. Ich weiß nur, daß mit Vereinfachung und opportunistischem Spagat dieser Krieg nicht zu erklären und – edler Anspruch der Medien! – schon gar nicht zu beenden ist. Helmut Kern-Brugner,

Freiburg im Breisgau

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