: Ein virtuelles Paar
Strategische Allianz zwischen Microsoft und dem Fernsehsender NBC / Bill Gates füllt seinen leeren Online-Dienst schlagartig mit Inhalt ■ Aus New York Stefan Matzig
Microsoft, das größte Software- Haus der Welt, und der amerikanische Fernsehriese NBC mit seinem die Erdkugel umspannenden Nachrichtennetz gehen eine strategische Allianz ein. In Zukunft wird NBC die Informationen für aktuelle Dienste des geplanten Computernetzes „The Microsoft Network“ gestalten. Im Gegenzug wird Microsoft „zum größten Gebührenzahler bei NBC“, wie es ein Sprecher des Fernsehgiganten formulierte.
NBC darf also künftig beim Online-Service von Microsoft dem Benutzer am Heim-PC für seine Extradienste auch Extrakohle abknöpfen. Für die nötige Kundschaft dieser Dienste sorgt Microsoft – immerhin will der Software- Gigant für sein Netz in den nächsten Jahren einige Millionen Nutzer gewinnen. America Online (AOL), der Konkurrent von Microsoft auf dem Datenservice-Bereich, der bisher die „NBC Online“ beherbergt, überweist nur 20 Prozent der Nutzungsgebühren an die Anbieter der Daten, während das Microsoft Network mit bis zu 80 Prozent lockt.
Kein Wunder, daß NBC nach dem 30. September das Geschäft mit AOL und weiteren Datennetzen nicht weiter ausbauen will. „Wir werden für eine Zeitlang unsere Online-Aktivitäten ausschließlich auf Microsoft konzentrieren“, so NBC-Chef Bob Wright.
Daß das Microsoft Network bislang keinen einzigen Abonnenten hat, stört dabei weder Microsoft noch NBC: Beide verlassen sich auf die überwältigende Marktführerschaft von Microsoft bei der Software.
Wiederholt kündigte der Gründer und Chef von Microsoft, Bill Gates, die lang erwartete, aber mehrmals verschobene Auslieferung des neuen Microsoft-Betriebssystems Windows 95 für August an. Mit Windows 95 sollen etwa 40 Millionen Personal Computer noch schneller und schöner laufen. Bei dieser Software wird auf dem Bildschirm ein Klickschalter auftauchen. Wer ihn mit der Maus anklickt, wird ohne weitere Voraussetzungen Mitglied im Microsoft Network – er muß nur noch die Einzugsermächtigung für sein Konto bestätigen.
Microsoft lockt Millionen Kunden in sein Netz
Innerhalb der nächsten drei Jahre, so nehmen Experten an, wird das Network mehr als 2,5 Millionen Mitglieder haben – so viele wie der Marktführer unter den Online- Services in den USA, American Online (AOL), heute. Die Gesellschaften NBC und Microsoft werden sich nicht aneinander beteiligen. Auf die Frage, ob er daran denke, NBC zu übernehmen, antwortete der Chef von Microsoft in gewohnt orakelhafter Weise: „In dieser neuen Welt kann man beobachten, wie sich Unternehmen gegenseitig kaufen. Die wichtigeren und dynamischen werden so sein wie die, die Sie hier sehen.“
Da die Online-Systeme langfristig ein hervorragender Markt für Fernsehproduzenten mit ihrem großen Reservoir an Korrespondenten sind, wird es sich für NBC wohl rechnen, die Kosten für die Umstellung einiger Sendungen und Nachrichten vom Fernsehen auf Online-Dienste vollständig selbst zu übernehmen.
Vermutlich wird es zu Beginn ohnehin nur seine schon existierenden TV-Shows im Microsoft- System recyceln und die obligatorischen Ankündigungs-Boards und Diskussionsgruppen mit Fangruppen über irgendwelche Serienstars erweitern. „Unsere Absicht ist jedoch, völlig neue Inhalte zu produzieren, die sich von allem, was Sie bisher vom Fernsehen kennen, unterscheiden“, so der Chef der NBC-Multimedia-Gruppe.
Die Ressourcen dafür sind vorhanden: Die Informationen und Unterhaltungsshows zur Versorgung der NBC-Kabel- und Satellitenprogramme in Amerika, Europa und Asien. Sie müssen nur auf „interaktiv“ getrimmt werden. Das bedeutet zum Beispiel, daß NBC nicht halbstündlich ein Wall- Street-Magazin ausstrahlt, sondern daß sich die Kunden selbst aussuchen können, welche Börsendaten sie wann sehen wollen.
Allianzen dieses Zuschnitts werden ihre Auswirkungen haben. Durch die für Anbieter attraktiven Preise im Microsoft Network dürfte sich auch online das gewohnte Schema von Kabel-TV durchsetzen: Bisher war in der Grundgebühr die Benutzung der Netze mit Standardfunktionen wie Wetter, Börse, Lexika oder Fußballergebnissen plus E-mail-Briefkasten enthalten, bestimmte Dienste kosten Aufpreis. Im erweiterten Programm konnte man neben trockenem Expertenwissen auch Gimmicks wie Graphiken, Cartoons, auf den Rechner laden.
Der demokratische Wildwuchs im bisher fast kostenlosen Internet wird durch ein zusätzliches Netz zwar nicht beschnitten, aber zugedeckt durch ein kommerzielles Riesenangebot wahrscheinlich gar nicht mal unattraktiver Draufgaben – nicht anders als beim Fernsehen, wo alternative Videoamateure auf den freien Kanälen neben den kommerziellen Anbietern auch keine Chance haben.
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