Sanssouci: Vorschlag
■ In England geht mit ihnen die Sonne auf: Die Boo Radleys im Loft
Sehr vertraut hört es sich an, dieses „Wake up, it's a beautiful morning, feel the sun shining for your eyes“ von den Boo Radleys: Als hätte man es schon tausendmal gehört, tausendmal gepfiffen und tausendmal berührt; so „goood daaay, suuunshine“- mäßig, so locker fließend, als hätten sich die Housemartins mit den frühen, unkomplizierten XTC zusammengetan, um den Neunzigern ein letztes Mal wehmütig in den Arsch zu treten. Damit haben die Boo Radleys einen echten, flockigen Popsong unter die Leute gebracht, in der hehren Absicht, sich und anderen mit ein paar Bläsern und einer schnellsitzenden Melodie in drei Minuten einiges an Trübsal und Sorgen wegzublasen und den verzweifelten Mittzwanzigern dabei noch etwas an Lebensphilosophie mitzugeben: „Twenty-five I don't recall a time I felt this alive ..., I can do anything, anything, anything“.
Rangehen! Keine falschen Sentimentalitäten! Platten aufnehmen! Diese unterschieden sich anfangs nur wenig vom damals auf der Insel herrschenden Krach-durch-Feedback-Geschlurf: So rund zwei Minuten nach dem Kater, den die Happy Mondays allen Jungs und Mädels beschert hatten, schaukelten auch die Boo Radleys neben Bands wie Curve, Lush oder Ride her, bloß um sich und der Welt intensivst klarzumachen, wie überflüssig sogenannter Brit-Pop gerade war. Seit der 93er Platte „Giant Steps“ verfingen sich die Liverpooler jedoch im ihrer Heimatstadt hinterlassenen Wurzelwerk, krallten sich fest und sorgten mit einigen anderen Bands für neues Interesse am britischen Pop.
„Giant Steps“ ist den vier großen alten Herren der Stadt verpflichtet und vor allem von „Sgt. Pepper's“ und dem „Weißen Album“ inspiriert: Alben, auf denen die Boo Radleys nach eigenem Bekunden ewig und ein Leben lang Neues entdecken könnten. „Giant Steps“ und die neue Platte „Wake Up“ sind gleich Wundertüten so mit Ideen, Melodien, Sounds und Obskurem vollgestopft, daß man sich gern darin verliert. Vielleicht gibt es in England gar mal wieder eine beste Band der Welt. Gerrit Bartels
Morgen, 20.30 Uhr, zusammen mit Sleeper, Loft im Metropol, Nollendorfplatz, Schöneberg
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen