■ NRW: Freifahrtsignale, Zugblockaden, tote Gleise: Gefangen von der IGBE
Hessen steht immer noch und scheint putzmunter. Auch Niedersachsen leidet keineswegs an den Nachwirkungen von vier Jahren rot-grüner Regierung. Von Chaos keine Spur. Doch das blüht jetzt „uns in NRW“. Jedenfalls weiß das die CDU – schon vor der ersten rot-grünen Verhandlungsrunde. Die „Totalblockade“ (Helmut Linssen), die „Katastrophe“ (Norbert Blüm) naht, und „wir in NRW“ müssen jetzt ganz tapfer sein. Abzuwenden ist das Unheil nur durch eine Große Koalition, der, so verspricht uns der Landesvorsitzende Blüm ganz selbstlos, „wir uns nicht verweigern können“.
Am anderen Ufer kam die Botschaft an. Hans Berger, Vorsitzender der Bergbaugewerkschaft IGBE und Bundestagsabgeordneter der SPD, steht bereit, um zusammen mit der CDU vor allem anderen eins durchzusetzen: eine Energiepolitik von vorvorgestern. Dazu zählt der von der SPD-Landesregierung genehmigte Braunkohletagebau Garzweiler II, den auch die CDU will. Berger fürchtet zu Recht, daß es diesen Tagebau mit den Grünen nicht geben wird, und er weiß, daß weite Teile der SPD diesem Beschluß nur aus politischem Opportunismus, aus Angst vor der Braunkohlelobby – zu der der mächtige RWE-Konzern und die IGBE gleichermaßen zählen – zugestimmt haben.
So wurden die energiepolitischen Weichen völlig falsch gestellt. Wer daran zweifelt, frage nach beim NRW-landeseigenen Institut für Klima, Energie und Umwelt in Wuppertal. Die Antwort fällt bei allen renommierten Energie- und Umweltforschern gleich aus: Garzweiler II ist zur Sicherung der Energieversorgung überflüssig und umweltpolitisch unvertretbar! Die Programmatik der Grünen in NRW strotzt gewiß von linken Sprechblasen – die grüne Verhandlungskommission läßt glücklicherweise intern gerade eine nach der anderen platzen –, aber bei GarzweilerII liegen die Grünen in der Sache uneingeschränkt richtig.
Ein Verzicht auf GarzweilerII gefährdet die aktuell im Braunkohletagebau Beschäftigten zwar nicht, aber der SPD würde es gleichwohl nicht leicht fallen, den Bergleuten im Land reinen Wein einzuschenken. Doch eine zukunftsträchtige Politik – mit Chancen für Bonn – ist ohne diesen Kraftakt nicht denkbar. Johannes Rau könnte sich dem stellen, auch wenn es nicht ohne Blessuren für ihn abginge. Der jetzt an die Fraktionsspitze drängende Umweltminister Klaus Matthiesen, der die Partei erst in diese Sackgasse hineinmanövriert hat, ist für diese Wende dagegen der denkbar schlechteste Kandidat. Mit Matthiesen würde jemand auf den Fraktionsthron gehievt, der sich in Kohlefragen seit Jahren gewerkschaftlicher als die Gewerkschaften aufgeführt hat. In seinem vom Steinkohlebergbau geprägten Landtagswahlkreis, in Unna, kam das gut an – über 60 Prozent! –, aber für die SPD und das Land insgesamt weist dieser gnadenlose Populismus genau den falschen Weg: direkt in die politische Sackgasse.
Gestern noch standen die Chancen in der SPD nicht schlecht, Matthiesen auszubremsen. Sollten vom SPD-Landesvorstand am Sonntag in Wuppertal andere Signale ausgehen, wäre das fatal. Für Rot- Grün böte Matthiesen – anders als manche in der SPD glauben – keinen „Flankenschutz“, sondern den Sprengsatz. Walter Jakobs
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