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Fußball-Hoch im Tief

■ Werder überrollt Plaste&Elaste Krefeld - Aus dem Stadion unser Hilfsreporter Fücks

Während im Stadionbad die Freiluftsaison mit Rock-Musik eröffnet wurde, ging im Weserstadion Bayer Uerdingen mit Pauken und Trompeten unter. Der Samstag war einer jener Tage, an denen Werder eine unwiderstehliche Offensivkraft entwickelt und die Widerstandskraft der Gastmannschaft pulverisiert. Zuletzt hatte Freiburg diese Erfahrung durchlitten, diesmal war Uerdingen ein gefundenes Fressen für die titelhungrigen Bremer.

Zwischen der No-Name-Truppe aus Krefeld, die bei der Vorstellung nur ein müdes „Arschloch“-Echo aus der Ostkurve provozierte, und der vor Selbstbewußtsein strotzenden Bremer Dreizehn klaffte an diesem schönen Nachmittag mehr als ein Klassenunterschied.

Werder eröffnete das Spiel von der ersten Minute an mit überfallartigen Angriffen, die der Zweitmannschaft des Bayer-Konzerns keine Atempause ließen. Als nach sechs Minuten Andy Herzog von der Torauslinie flach nach Innen paßte und der elegante Hany Ramzy einlochte, war der Abwehrbann der Krefelder gebrochen.

In der 16. Minute schritt erneut Herzog zum Eckball, und obwohl jedes Kind weiß, daß dies ein Fall für Libero Neubarth ist, konnte der unbedrängt einköpfen. Soviel Offensivgeist nahm ihm der Uerdinger Uwe Grauer so übel, daß er ihn kurz darauf mit einer Grätsche außer Gefecht setzte: rote Karte. Für Neubarth kam Dribbelkönig Bestchastnykh – ein Signal, daß Rehagel an diesem Tag etwas für das Torverhältnis tun wollte.

„So ein Foul im Mittelfeld tut nicht nötig“, tadelte das Bremer Trainerdenkmal nach dem Spiel und nutzte die Gelegenheit zu einer Replik auf den Kollegen Hitzfeld, der nach der Dortmunder Nieder- lage im Weser-Stadion geklagt hatte, die Werder-Recken hätten seinen Spielkünstlern mit wüster Härte den Schneid abgekauft. „Wir sind keine Amokläufer und trachten niemandem nach der Gesundheit – lieber verliere ich ein Spiel“, dozierte Sportsmann Otto. Vielmehr sollten die Schiedsrichter ihre Zurückhaltung bei Elfmeterpfiffen zugunsten seiner Jungs aufgeben.

Das hatte Schiedsrichter Buchhart (Schrobenhausen) schon vorauseilend in der 56. Minute beherzigt, als Tausendsassa Andy Herzog so lange mit dem Ball vor Paßlack hergelaufen war, bis er im Strafraum programmgemäß zu Fall kam. Den fälligen Elfer verwandelte er gegen alle ehrwürdigen Fußballgebote selbst.

Das war der Auftakt zu verrückten fünf Minuten, die das Stadion zum Tanzen brachten: Zunächst revanchierte sich Paßlack nach einer der seltenen Uerdinger Ecken postwendend mit dem 1:3; keine 120 Sekunden später verwandelte Bode eine Ecke von Basler, und mit dem nächsten Spielzug nutzte Hobsch einen kapitalen Fehler des hölzernen Gorlukowitsch zum 5:1. In der 75. Minute brandete Jubel aus heiterem Himmel auf – in Freiburg hatte Sammer mit seinem Eigentor den Ausgleich geschafft und Werders Meisterschaftsaktien sprunghaft steigen lassen. Die Mannschaft wirkte wie eine geölte Maschine. Daß sich Basler diesmal in unproduktiven Einzelaktionen verzettelte, steckte sie ebenso ungerührt weg wie den Ausfall der Innenverteidigung Neubarth/Ramzy (Rippenbruch).

Bestchastnykh krönte die Bremer Schlußoffensive noch mit dem 6:1. Die Massen waren begeistert und hoffnungsfroh – was sind schon Wahlen, Bürgermeisterrücktritte und politische Richtungskämpfe gegen Fußballfeste und die Aussicht auf die Meisterschale! Wenigstens im Fußball sind wir – noch – Spitze.. Ralf Fücks

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