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Die Hälfte der Anrufer ist einsam

■ Zweiter psychosozialer Krisendienst in Ostberlin eröffnet

Seit gestern gibt es den zweiten psychosozialen Krisendienst im Ostteil der Stadt. Der gemeinsame Krisendienst der Bezirke Friedrichshain und Lichtenberg will Menschen in Notsituationen täglich von 18 bis 24 Uhr beraten und betreuen. Er schließt somit nach den Worten des Friedrichshainer Bezirksstadtrates für Gesundheit und Umweltschutz, Dieter Hildebrandt, eine wichtige Lücke innerhalb der Grundversorgung der Bezirke.

Zwar gibt es in den beiden Ostbezirken Friedrichshain und Lichtenberg, wie in den übrigen Stadtteilen auch, bereits verschiedene psychosoziale und psychiatrische Einrichtungen, doch haben diese nur tagsüber geöffnet. Eine weitere Aufgabe der neuen Einrichtung soll sein, die Arbeit der verschiedenen Betreuungs- und Beratungsstellen stärker miteinander zu verbinden.

Menschen, die Hilfe suchen – ob am Telefon oder in eigens eingerichteten Beratungsräumen in der Richard-Sorge-Straße 73 in Friedrichshain –, werden von Fachkräften aus den bereits bestehenden Hilfsstellen der Bezirke beraten. Diese Fachkräfte arbeiten auf Honorarbasis. In Notfällen eilen sie, zumeist gemeinsam mit einem Bereitschaftsarzt, zum Anrufer oder zur Anruferin. Hilfreich kann manchmal schon ein Gespräch sein, in schweren Fällen jedoch raten die Ärzte zur Einweisung in eine Klinik.

Der Nachholbedarf an psychosozialer Betreuung im Osten ist groß. Zwar gibt es hier nicht mehr Kranke als in Westberlin, aber weitaus weniger Hilfsdienste, versichern Psychologen, Sozialarbeiter und Bezirkspolitiker gleichermaßen. 230.000 Mark hat der Senat zur Finanzierung des Krisendienstes für dieses und nächstes Jahr lockergemacht. Große Sprünge ließen sich damit nicht machen, meint Hildebrandt, doch das sei „immerhin ein Anfang“.

Angefangen hat der erste psychosoziale Krisendienst Pankow/ Weißensee mit seiner Arbeit bereits vergangenen Sommer. Die Leiterin Kerstin Krüger weiß: „Oft rufen die Menschen hier an, weil sie sonst niemanden haben, der ihnen zuhört. Über die Hälfte der Anrufer ist einfach nur schrecklich einsam.“ Holger Heimann

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