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Labour wählen, Mensch!

■ Die britische Regisseurin Antonia Bird über ihren Film "Priest"

Antonia Bird (35) begann als Theaterschauspielerin. Seit 1983 macht sie Fernsehfilme, meist mit sozialkritischen Themen. Ihr erster Hollywoodfilm „Mad Love“ läuft derzeit in den USA an. „Priest“ löste in den USA und Frankreich wütende Proteste aus.

taz: Bob Dole, der republikanische Präsidentschaftskandidat in den USA, hat sich über „Priest“ ja ziemlich kritisch geäußert.

Antonia Bird: Ja, auf NBC verkündete er, daß er, wenn er Präsident wäre, die Bürger auffordern würde, sich solche Filme nicht anzusehen, und Hollywood davon überzeugen würde, so etwas nicht zu produzieren. Und US-Kardinal O'Connor sagte, für ihn sei „Priest“ wie ein Klospruch. Aber er gab zu, den Film nicht gesehen zu haben.

Sind Sie stolz auf die Reaktionen, die Ihr Film in den USA und in Frankreich ausgelöst hat?

Nein, nicht stolz, eher beunruhigt, daß die Diskussion so vehement und nicht mit Argumenten geführt wird. Die US-Verleihfirma Miramar bekam über 2.000 Morddrohungen von Leuten, die sich als Christen bezeichnen. Dabei ist das doch ein prokatholischer Film, gegen die Hierarchie zwar, aber nicht gegen den Glauben an sich.

Warum nicht?

Erbsünde, Sex ist Sünde – das ist Unsinn. Aber jeder hat das Recht zu glauben, solange er andere nicht in ihrer Freiheit einschränkt. Das aber tun die veralteten Regeln der katholischen Kirche.

In den USA wurde der Film von der Disney-Tochter Miramar doch nicht, wie geplant, am Karfreitag gestartet. Ein Rückzieher?

Das Datum war doch von vorneherein aus Publicitygründen gewählt – genau wie die Verschiebung des Filmstarts. Dort, wo es die Verleiher nicht auf eine Kontroverse angelegt hatten, sind die Leute zwar auch verärgert, aber auf positive Art. In Irland, einem fast vollständig katholischen Land, kommt der Film phantastisch an. Eine Menge Priester empfehlen den Film ihren Gemeinden.

Was kann der Film bewirken?

Ich hoffe, daß er die katholische Debatte ankurbelt: über den Zölibat, Geburtenkontrolle, Aids, Kondome und die unmoralische Haltung der Amtskirche gegenüber diesen und anderen Themen. Mein Kernthema ist der Zölibat, der junge Männer zwingt, ihre natürlichsten Gefühle und Gelüste zu unterdrücken. Viele junge Männer, die Priester werden wollen, sind schwul. Vielleicht werden sie Priester, weil sie sich wegen ihrer sexuellen Orientierung so schuldig fühlen. So können sie einen Lebensstil wählen, der es ihnen erleichtert, ihre Sexualität zu unterdrücken. Das sind diese ziemlich kühlen, orthodoxen jungen Männer – einsam, in sich selbst gefangen und kaum in der Lage, wirklich etwas geben zu können.

Schwuler Priester und Inzest – ist das nicht zuviel für einen Film?

Meinen Sie? Um die Geschichte mit dem Beichtgeheimnis spannend zu machen, brauchten wir ein schlimmes, lebensbedrohliches Verbrechen. Nicht Mord, das gab es schon vorher in vielen Filmen.

Ihr Film ist sehr didaktisch. Wollten Sie den Leuten vorschreiben, was sie zu denken haben?

Ich sage meistens ziemlich klar, was ich denke. Was ist denn daran falsch, emotional, auch mal richtig ärgerlich zu sein? Das ist genau das, wofür wir Briten glauben, uns ständig entschuldigen zu müssen. Warum sollte ich nicht so Regie führen, nicht ein möglich breites Publikum erreichen wollen?

„Priest“ ist ja ursprünglich ein Fernsehfilm für die BBC. Er hat ein langsames Erzähltempo, wenige aufregende Einstellungen oder Schnitte. Macht sich das auch gut auf der Kinoleinwand?

Wie viele Fernsehfilme wurde „Priest“ sehr schnell abgedreht. Da blieb nicht viel Zeit für komplizierte Einstellungen und cineastische Kapriolen. Aber dafür funktioniert er ziemlich gut im Kino.

Die Beziehung zwischen Greg und seinem Lover Graham gerät im Laufe des Films in den Hintergrund, genau wie Gregs beruflicher Konflikt mit Pater Matthew.

Wir mußten uns entscheiden, auf wessen Geschichte wir uns konzentrieren wollten, und haben uns für Greg entschieden.

Wofür entschuldigt sich Greg eigentlich am Ende bei seiner Gemeinde? Für seine Homosexualität?

Greg glaubt an seine Berufung als katholischer Priester – aber er hat gegen den Zölibat verstoßen. Ich will, daß Leute, die vielleicht gegen Schwule eingestellt sind, sich am Ende sagen, verdammt, was bitte soll dieser Mann falsch gemacht haben.

Sie zeigen Leute der Arbeiterklasse, die sehr gläubig sind.

Ich schätze, daß in Liverpool, wo es einen großen Anteil irischstämmiger Bevölkerung gibt, höchstens zwanzig Prozent dieser Community noch sehr gläubig sind. Ich selbst halte nicht soviel davon, wenn Arbeiter streng religiös sind. Ich glaube an den Wert kollektiven Handelns. Es geht darum, die Welt, das System zu verändern. Die sollen Labour wählen, Mensch! Und eine wirklich sozialistische Partei daraus machen.

Im Herzen sind Sie Sozialistin?

Nicht nur im Herzen. Ganz offen, mit allem, was ich habe.

Sie haben gerade einen Film in Hollywood gemacht, „Mad Love“. Ist das der richtige Ort für eine Sozialistin?

Nein, aber das wußte ich schon vorher. In Großbritannien versuche ich schon seit vier Jahren vergeblich, einen Kinofilm zu machen. Ich habe jetzt einiges über das Hollywood-System gelernt und auch, daß es durchaus Möglichkeiten gibt, dort Filme mit meiner linken europäischen Perspektive zu machen – aber generell wird dort das Publikum unterschätzt.

Ist Filmemachen dort stärker ein Angestelltenjob als in Europa?

Große Bürokratie – wie bei der BBC. Alle meine bisherigen Jobs waren Angestelltenjobs. Für mehr bin ich wohl noch nicht wichtig genug. Ich muß mir meinen Lebensunterhalt verdienen und unterstütze auch noch andere Leute.

Was ist die Story von „Mad Love“?

Ein Roadmovie. Es geht um zwei 18jährige und ihre Beziehung. Die Frau leidet unter ihren kaputten Familienverhältnissen, was sich noch verschlimmert, je weiter sie sich von ihren Problemen entfernt. Tolle Landschaft, schwere Depressionen, viel Sex, Knarren...

Interview: Hans-Hermann Kotte

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