: Demo-Metropole immer friedlicher
■ Eine Statistik beweist: Die Zahl der festgenommenen Demonstranten und verletzten Polizisten nimmt seit 1992 ab
Berlins Ruf als Austragungsort gewalttätiger Demonstrationen hat erheblichen Schaden genommen. Sowohl die Zahl der Festnahmen als auch die der verletzten Polizeibeamten geht seit 1992 stetig zurück. Diesen für das Image der Stadt erschütternden Schluß legt die Antwort von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage der Bündnisgrünen nahe.
Was sich schon auf der diesjährigen 1.-Mai-Traditionsrandale abgezeichnet hatte, wird nun erstmals amtlich belegt: Der Berliner Trend der letzten Jahre geht hin zu einer bisher ungewohnten neuen Friedlichkeit. Wurden noch vor drei Jahren 199 Personen nach den Bestimmungen der Strafprozeßordnung festgenommen, waren es 1993 184 und 1994 gar nur noch 118. Eine ähnliche, wenn auch schwächere Tendenz zeitigte die Anwendung des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG). 222 Demonstranten wurden 1992 kurzzeitig in Gewahrsam genommen. 1993 wurde mit 91 gar ein rekordverdächtiger Tiefpunkt erreicht. Allerdings stieg die Kurve im letzten Jahr bei ASOG-Festnahmen wieder leicht auf 110 an.
In dem dreijährigen Zeitraum stufte die Innenverwaltung 34 Demonstrationen als „unfriedlich“ ein. Als Kriterium legte die Behörde den Umstand zugrunde, daß im Verlauf der Umzüge eine „Mehrzahl“ von Teilnehmern „zahlreiche Straftaten unter Gewaltanwendung, Gewaltandrohung oder Aufforderung zur Gewaltanwendung“ begangen hätten. „Erfahrungsgemäß“, so heißt es in der Antwort, habe es sich dabei meistens um Delikte wie Landfriedensbruch, schweren Landfriedensbruch, Körperverletzung, Beleidigung, Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz gehandelt. Daß sich das Image vom brutalen Berliner Rowdytum immer weniger zur ordnungspolitischen Politpropaganda eignet, beweisen auch die Daten über verletzte Polizisten. Im Rekordjahr 1992 waren es 207 Beamte, im Folgejahr 63. Für 1994 verzeichnete die Polizeistatistik 71 verletzte Beamte.
Offenbar war die Mehrzahl der zugefügten Blessuren leichterer Art. Immerhin konnten 295 Polizisten nach der Heckelmann-Statistik im Dienst verbleiben, 46 Verletzte hingegen mußten in den drei Jahren „abtreten“, wie der Bericht vermerkt. Wie viele Verletzte die Gegenseite zu verzeichnen hatte – auf diese Frage mußte die Senatsverwaltung für Inneres passen. „Verwertbare Erkenntnisse“, so heißt es in der Antwort des Innensenators an die Adresse des bündnisgrünen Fragestellers Wolfgang Wieland, lägen nicht vor. Severin Weiland
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