: „Wir sind behindert“
■ UNO-Beauftragter Yasushi Akashi will eine Demilitarisierung der Enklaven
Herr Akashi, es wird zur Zeit über einen Abzug der Blauhelme aus den Enklaven und eine Demilitarisierung der bosnischen Armee in diesen Zonen diskutiert.
Eine Demilitarisierung der Enklaven ist im höchsten Maße wünschenswert. Wenn nämlich die bosnische Armee aus den Enklaven heraus weiter die Serben attackiert, wird nur ein Vorwand für die Serben geschaffen, diese Sicherheitszonen zu attackieren.
Die Enklaven sind das Ergebnis des Eroberungskrieges der Serben. Wenn die UNO dies nicht einfach akzeptieren will, muß sie die Enklaven verteidigen. Wie sollen sie das tun, wenn die Truppen dort abgezogen werden?
Sicher, das ist ein Problem. Die Frage ist, ob die Vereinten Nationen diese demilitarisierten Zonen wirklich verteidigen können. Wir sind eine friedenserhaltende Truppe, wir können keinen konventionellen Krieg führen. Wir sind überparteilich, wir sind Zeugen für die internationale Gemeinschaft, nicht mehr, nur die Nato könnte dies mit uns zusammen tun. Wir können nur Verhandlungen anbieten und nach friedenserhaltenden Lösungen suchen.
Und wenn die Bevölkerung in den Enklaven den Rückzug der UNO-Truppen nicht zuläßt?
Die bosnische Regierung und die bosnischen Serben haben uns versichert, daß es zu keinen Behinderungen kommen würde. Aber eine solche Aktion zeigte auch, daß trotz aller Kritik an der UNO sich die Leute mit der UNO sicherer fühlen.
Die Menschen in den Enklaven fordern aber auch, endlich befreit zu werden. Was Sie tun, ist doch lediglich, den Verhandlungsprozeß zu verlängern.
Wir erzwingen den Frieden nicht, wir wollen ihn erhalten.
Aber es gibt doch gar keinen Frieden.
In der Tat. Aber wir haben durch unsere Gegenwart in vielerlei Hinsicht die Lage im Kriegsgebiet beruhigt. Zwei bis drei Millionen Menschen wurden durch die humanitäre Hilfe am Leben erhalten. Wir sind jedoch durch die Haltung der Kriegsparteien und aufgrund der Uneinigkeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft in unserem Auftrag behindert.
Vor kurzem haben Sie die Forderungen der USA nach Luftangriffen auf serbische Stellungen bei Sarajevo blockiert.
Die USA sind wichtiges Mitglied der UNO und des Sicherheitsrates. Und wir nehmen ihre Position sehr ernst, die Nato ist ein Partner für uns. Wir können ihre Ausrüstung für die Zwecke der Vereinten Nationen nutzen.
Aber Sie tun es nicht.
Ich habe US-Verteidigungsminister Perry kürzlich getroffen, im Grunde haben wir keine Differenz. Es gibt aber keine Alternative zu Dialog und Verhandlungen. Was ist die Alternative? Das ist nämlich ein weiterer Krieg.
In Westslawonien werden über 300 Mann eingesetzt, um die Menschenrechte der verbliebenen Serben nach dem kroatischen Angriff zu schützen. Dies ist ja endlich ein positiver Schritt, die Menschenrechtsfragen ernster zu nehmen. Könnten nicht auch Beobachter in andere Gebiete, wie zum Beispiel Banja Luka geschickt werden?
Die Untersuchung der Menschenrechtslage ist überall wünschenswert. Wir haben in Banja Luka einen zivilen Beobachter, die serbische Seite sperrt sich bisher gegen mehr.
Ist es für Sie nicht ein Problem, mit einem mutmaßlichen Kriegsverbrecher wie Serbenchef Karadžić verhandeln zu müssen?
Ich akzeptiere das Vorgehen des Den Haager Kriegsverbrechertribunals. Wir sind als UNO jedoch nicht Richter, wir sind Friedenstruppen, wir haben mit allen Parteien zu verhandeln.
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