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Nervös lachen, still abstürzen – draußen verdorrt Kalifornien

■ Bei Crumbs zu Hause: Terry Zwigoffs Familienporträt

Ein Film über einen Kult-Cartoonisten aus den frühen Siebzigern: da hatten wir das immer gern gehörte Lied des Summer of 69 erwartet. Doch statt Janis Joplin und Grateful Dead wird uralt-ungelenker Jazz gespielt, statt in arrivierten Westcoast-Kommunen bewegen wir uns durch die klaustrophobische Enge von mit abgegriffenen Möbeln vollgestellten, muffigen Lower-middle-class-Häusern, während draußen Kalifornien verdorrt.

Robert Crumb, nicht nur Beziehern des 2001-Katalogs als Zeichner von Comics wie „Fritz the Cat“ und „Mr. Natural“ bekannt, schuf Panoramen der Hippie-Ära, obwohl er selbst nie einer war. Terry Zwigoffs Dokumentarfilm „Crumb“ ist eine Art Familienporträt.

Robert sieht aus wie einem alten Schwarzweiß-Film entstiegen; Charles war seit Jahren nicht mehr vor der Tür, und Max, Fakir und Maler, hat sich auf dem Nagelbrett eingerichtet. Statt im Jetzt leben die drei Brüder jeder für sich im unendlich gedehnten Rhythmus ihrer Neurosen. Erst am Schluß ein Fetzen Gegenwart, als die Möbelpacker sich über den Crumbschen Hausrat hermachen. Er will in Südfrankreich alt werden.

Streng katholisches Elternhaus, der Vater ein prügelnder Marineoffizier, traumatische Erfahrungen in der Schule: der Film schildert, was aus den Kindern wird. Max, der jüngere Bruder, versucht seinen epileptischen Anfällen durch Meditation zu entkommen und geht betteln, wenn er nicht malt. Charles war wie Robert schon als Kind von Comics besessen und füllte ganze Bücher mit immer skurilleren Geschichten. Irgendwann verzichtete er auf die Bilder, dann verwandelte sich die Schrift in bloße Serien kleiner Wellenlinien. Ein langsamer Absturz. Seit 25 Jahren überlebt er mit Tranquilizern und Antidepressiva auf Mutters Sofa: ein Fleischkloß, hinter dessen wäßrigen Augen und bedächtigen Worten eine Intelligenz aufflackert, die im Verlöschen ist. Ein Jahr nach den Dreharbeiten begeht er Selbstmord.

Die Flucht in die Bilder gelang nur Robert, der sich – misogyn und sexbesessen – seit 30 Jahren an den bizarren Abenteuern seiner drallen Frauen und ihrer immer ordentlich unter Dampf stehenden Verehrer abarbeitet. Ob das nun Pornographie ist oder nicht, eine Frage, die den Film über die Maßen beschäftigt, ist letztlich unerheblich; wie man als Frau mit so jemandem zusammenleben kann ebenfalls. Und Robert Crumb selbst hat uns nicht allzu viel zu sagen. Was hätte es auch sein sollen? Man spürt die Erleichterung, wenn er als Interviewer seiner Brüder in Aktion treten darf und nicht immer über sich selbst sprechen muß.

Obwohl Crumbs alter Freund, gelingt es Zwigoff, Intimität und Distanz im Gleichgewicht zu halten. Er hebt den prominenten Künstler nicht als „Breughel des 20. Jahrhunderts“ in den Himmel, sondern stellt ihn ruhig und konzentriert als jemanden dar, der mit Talent und einer gehörigen Macke Berühmtheit erlangt hat. Aus Crumbs nervösem Gelache erfährt man einiges über die Abgründe, die sich darunter auftun. Jörg Häntzschel

„Crumb“. Regie: Terry Zwigoff, USA 1994, 119 Min, O.m.U.

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