■ Press-Schlag: Seltsames Grinsen
Immer wenn er richtig unter Druck gerät, versucht Otto Rehhagel (58) den Eindruck zu verbreiten, alles sei nur ein Spiel, nicht mehr. Nun lächelt der Mann ja seit einigen Monaten ununterbrochen, doch nach dem 2:4 in Schalke gab sich der Werder-Trainer besonders angespannt entspannt. Statt über das völlig Unerwartete zu hadern, teilte er grinsend mit, Werder habe „großes Glück gehabt.“ Glück, „daß wir noch zwei Tore gemacht haben.“ Was zu heißen hat: Wenn's denn sein muß, schaffen wir es auch über das Torverhältnis.
Wie das so geht: Schalke war zwar „aggressiv“ (Trainer Berger), doch wohl längst nicht so viel über Gewohntem, wie Bremen darunter lag. Was Werder aber tief verunsichert, ist die Frage des Warum. Vordergründig: Just der der ewigen Jugend verdächtigte Ersatz-Libero Votava (38) hatte Probleme, den ersten beiden Toren lagen Defensivfehler zugrunde, und, sagt Rehhagel, „wenn Sie zwei Fehler machen, können Sie nichts mehr gewinnen.“ Es versucht bei Rückstand zwar jeder gern, mehr umgehend zu tun, doch heraus kommt: weniger.
Tatsächlich gab sich Werder zwar selbstbewußt, doch ohne jegliche Begründung muß den Bremern dieses Erscheinen im nachhinein als hochstaplerisch ausgelegt werden. Zumindest war es, großartige Einzelkunststücke der Herren Basler und Herzog hin oder her, und das ist das eigentlich Bedenkliche und Unerwartete: in jeder Beziehung unkontrolliert. Otto hilf!
Wird er. Sagte kaugummikauend Willi Lemke. „In Ruhe“ werde der Ist-Stand nun „von Otto aufgearbeitet“. Genau jene, so wird man nun argwöhnen, könnte es sein, die den Bremern im Gegensatz zu sonst abgeht. Zwar können, sagt Lemke, die Spieler, da „mündig“, sagen „was sie wollen“, doch findet in der Niederlage auch er schnell einen „Ausspruch nicht so glücklich.“ Insbesondere die wütende Ohnmacht des Mario Basler (26) auf dem Rasen wird keiner umhinkommen, in den nächsten Tagen mit jenen Worten zu vergleichen, die der junge Mann „nicht immer, aber immer öfter“ (Basler) forsch von sich zu geben pflegt.
„Leute“, hat Rehhagel nun gesagt, und das kann man als sein Vermächtnis verstehen: „Hört auf mich und feiert erst, wenn es etwas zu feiern gibt.“ Eine undankbare Situation: Vor einem halben Jahr rechnete niemand damit, nun verlangt man den Titel von Rehhagel, und alles, was weniger ist, würde seine 14 Jahre relativieren. Da entsteht ein Druck, unter dem ein Normalsterblicher leicht zusammenbrechen könnte. Otto nicht. „Sie müssen“, hat er auskunftsfreudig erklärt, „wenn sie unter Druck geraten, sich aus dem Forechecking befreien können.“ Das genau ist der Trick. Gelingt er, dann wird er breit grinsend auch sein seltsames Gelsenkirchener Lächeln in die Erfolgsfama einfließen lassen. Peter Unfried
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