■ Nebensachen aus Bukarest: Der Minister und die Dracula-Offensive
Vom Standpunkt der Allgemeinbildung aus sowie hinsichtlich besonderer Qualifikationen kann der neue rumänische Kulturminister als treuer Soldat des Vaterlandes gelten. Aus völlig ungeklärten Gründen führt er den Titel eines „Malers“, beschenkte seinerzeit Ceaușescu und das Politbüro mit nationaldörflichen Idyllen in Öl und wurde als verdienter Schmierfink des Volkes nun auf den Posten eines Ministers gepflanzt.
Von seinen ungeheuerlichen intellektuellen Fähigkeiten gab der Minister eine vorläufige Kostprobe, während er sein Programm vorstellte: „Wir können diejenigen unterstützen, ääh, die in der Lage sind, Maßnahmen zu treffen. Ich denke zum Beispiel an unsere Pappeln, die das rumänische Fernsehen umgeben, die angeschossen sind, ääh, wurden während der Revolution und ganz abgerissene Zweige haben und so weiter. Also das macht keinen guten Eindruck auf die, die unser Land besichtigen, nämlich, es wurde entdeckt, daß die Pappel sehr schnell wächst, alle unsere Chausseen, egal in welche Richtung wir fahren, sind mit Pappeln bepflanzt, was vom ästhetischen Standpunkt aus sehr häßlich und langweilig ist.“
Das hierauf um sich greifende Image der Einfalt konnte der Minister natürlich nicht auf sich sitzenlassen und verfiel daher ins entgegengesetzte Extrem: Er tauchte am vergangenen Donnerstag ab in die Welt der Särge und Blutsauger – als Mitorganisator des „Ersten Welt-Dracula- Kongresses“. Hunderte Journalisten, Vampiro- und Draculogen sind angereist, werden Draculas Schlösser besichtigen, in seinen Betten (Särgen?) schlafen, „Bocksballett“ und „Hexen- Show“ ansehen, Vorträge zum Thema „Dracula – Mythos, Legende und Geschichte, Reflexionen in Kunst und Leben“ hören und zwischendurch mit „Dracula- Dinners“ vollgestopft werden.
Die Sache hat nur einen Haken: Die Gäste des „Ersten Welt- Dracula-Kongresses“ sind fast alle Ausländer. Vom Standpunkt des guten Rumänen aus ist die Tagung eine Unverschämtheit. Kaum ist von Dracula die Rede, da kommen von Japan bis Kanada so viele Journalisten angeschwirrt, wie nicht einmal nach der Exekution von Ceaușescu anwesend waren, und zeigen Rumänien, wie immer, als Zentrum des Grauens und Schauderns.
Um den Vorwürfen des Antirumänismus zu entgehen, überließ der Kulturminister die Schmutzarbeit lieber dem Tourismusminister. Dieser würdigte nun vergangenen Donnerstag im Hotel „Bukarest“ die Bedeutung des Grafen Dracula, bestärkt von einer Kulisse aus Kreppapier-Fledermäusen. Um seine Koketterie mit antirumänischen Ressentiments später rechtfertigen zu können, griff der Tourismusminister sogleich zu handfesten Argumenten: „Der Dracula-Kongreß stellt eine aggressive Offensive dar, um den Tourismus im Lande zu beleben. Im Zusammenhang mit dem Ansehen Rumäniens im Ausland nehme ich alle Verantwortung auf mich.“
Leider findet die einzig sachgerechte Bearbeitung des Themas nicht statt. Der vormalige Kulturminister ließ nämlich just dementieren, er wolle einen Dokumentarfilm über Dracula drehen. Dabei wäre er der geeignete Mann gewesen, hatte er doch bereits praktische Versuche unternommen, um sich in die Rolle des Filmhelden hineinzuversetzen. Der Minister mußte zurücktreten, weil er mit offener Hose vor seiner Sekretärin fotografiert worden war und sich gerade angeschickt hatte, sie zu vergewaltigen. Keno Verseck
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