Bremer Börse wird totgeredet

■ Frankfurter Börse will Aktienhandel per Elektronik monopolisieren / Börsenplatz Bremen rechtlich nicht in Gefahr, wohl aber wirtschaftlich

„Unser Image wird in Frankfurt seit Jahren in widerlicher Form heruntergeredet.“ Jüngster Anlaß für den Wutausbruch von Axel Schubert, dem Geschäftsführer der Bremer Wertpapierbörse, ist die Berichterstattung der Wirtschaftspresse über „Zeus“. Heute soll diese „zentrale Unternehmensstrategie“, die die Deutsche Börse AG in Frankfurt gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey in den vergangenen Monaten erarbeitet hat, offiziell vorgestellt werden. Doch bereits seit einer Woche geistert die Nachricht durch die Presse, Zeus werde für mindestens fünf der sieben deutschen Regionalbörsen, darunter auch die Bremer, das sichere Ende bedeuten.

Wertpapiere im Gesamtumfang von 128,5 Milliarden Mark sind im vergangenen Jahr an der Bremer Börse in der Obernstraße umgesetzt worden. Das entspricht einem Anteil von 1,5 Prozent des gesamten deutschen Börsenumsatzes. 90 Prozent des Bremer Umsatzes entfällt dabei auf die 100 im Deutschen Aktienindex (DAX) enthaltenen Wertpapiere. Und genau diesen lukrativsten Teil des Aktienmarktes will die Frankfurter Börse nach dem Zeus-Konzept künftig vom Parkett der realen Börsen abziehen und der örtlich nicht mehr gebundenen Datenwelt eines vollelektronischen Handelssystems übergeben. Ob das Eingabeterminal dann in London, Tokyo, Frankfurt oder Bremen steht, wäre für das Geschäft völlig egal.

Was zunächst nach technischem Fortschritt und einer Ausweitung des exklusiven Zirkels der an den realen Parkett-Börsen zugelassenen MaklerInnen klingt, hält der Bremer Börsen-Geschäftsführer Schubert dagegen für eine „Verfestigung der Monopolstruktur im Aktienhandel“. Denn das von der Frankfurter Börse geplante elektronische System würde keineswegs zu größerem Wettbewerb im deutschen Aktienhandel führen, sondern gerade im Gegenteil die sowieso mit einem Anteil von 74 Prozent bereits bestehende Frankfurter Vormachtstellung noch weiter ausbauen. Vorteile für kleinere und mittelständische Anleger kann er darin nicht erkennen, wohl aber das Interesse der Bankzentralen in Frankfurt.

Im Gegensatz zu den Frankfurter Plänen habe man in Japan und den USA aus genau diesen Gründen bisher auf den Einsatz elektronischer Handelssysteme verzichtet, so Schubert. Und so würde beispielsweise in Japan nach wie vor fast ein Viertel des Gesamtaktienumsatzes nicht in Tokyo, sondern an einer der sechs Regionalbörsen abgewickelt. Einzig in Großbrittanien habe man ein elektronisches System eingeführt und damit innerhalb kürzester Frist die mittelständische Anlegerstruktur zugunsten der großen Zentralbanken zerstört.

Auch der in Bremen für die Börsenaufsicht zuständige Wirtschaftssentor Claus Jäger hat sich in der vergangenen Woche ähnlich zu den Frankfurter Zeus-Plänen geäußert. „Der deutlich erkennbaren Absicht einer rigorosen Zentralisierung und Monopolisierung des deutschen Wertpapiermarktes in Frankfurt stehen nicht nur ordnungs- und wettbewerbspolitische und -rechtliche Argumente entgegen“, heißt es in seiner Erklärung, „die bestehende dezentrale und regionale Börsenstruktur hat sich bewährt und ist durchaus in der Lage, sich kooperativ zu entwickeln.“

Außer solchen Appellen bleiben dem Börsenplatz Bremen allerdings kaum Möglichkeiten zur Selbstverteidigung. Zwar gibt es rein rechtlich keinerlei Möglichkeit, die wirtschaftlich selbständigen Regionalbörsen von Frankfurt aus zu schließen. Tatsächlich würde allerdings der Abzug von zwei, drei großen Banken reichen, um den Standort Bremen unrentabel werden zu lassen. Als erste hat die Commerzbank diesen Schritt bereits vollzogen.

Rund 50 Arbeitsplätze hängen direkt oder indirekt an der Existenz der Bremer Börse. Steuereinnahmen sind seit der Abschaffung der Börsenumsatzsteuer vor einigen Jahren mit dem lokalen Aktienhandel allerdings nicht mehr verbunden. Wohl aber die direkte Absatzmöglichkeit für Landesobligationen, mit denen der Finanzsenator jedes Jahr im Wert von bis zu mehreren hundert Millionen Mark an die Bremer Börse geht.

Rechtlich hat Bremens Börsen-Geschäftsführer Schubert bisher keine Möglichkeit gesehen, sich gegen den aus Frankfurt gezielt eingesetzten Imageverlust zur Wehr zu setzen. „Im normalen Wirtschaftsverkehr würde man solche Schließungsgerüchte mit einer einstweiligen Anordnung vom Gericht verbieten lassen“, meint er, im Fall der Bremer Börse sei das allerdings unmöglich: „Schließlich sitzen die Vertreter dieser Frankfurter Banken doch auch in unserem eigenen Aufsichtsgremium.“ Ase