piwik no script img

USA: „Uhren stehlen sieauch“

■ Wie sich die BremerInnen nach dem Krieg über die amerikanischen Besatzer ärgerten

Amerikanische Soldaten durften den BremerInnen nicht die Hand geben und sie nicht in ihren Wohnungen besuchen – Fraternisierung war verboten. Bremen sollte besetzt werden, nicht befreit. Befreit wurden nur die ZwangsarbeiterInnen. Der Grund dafür war der unerwartet verbissene Widerstand der deutschen Wehrmacht und das Entsetzen über die deutschen KZs gewesen. Wie haben die BremerInnen ihre Besatzer erlebt? Anwort gaben am Dienstag Vorträge in der Villa Ichon, eingeladen hatte die Hochschule Bremen.

Handfeste Konflikte zwischen den BremerInnen und den Besatzungstruppen gab es wegen der Wohnungsbeschlagnahmungen. Das heutige Domizil des Bremer Innensenators, die Villa an der Contrescarpe 22/23, wurde der Sitz der amerikanischen Militärregierung. Im Ostertor beschlagnahmten die Amerikaner zahlreiche Häuser als Offiziersquartiere. Für die BremerInnen war das angesichts der zu 60 Prozent zerstörten Wohnhäuser schwer zu verkraften. „Immer wenn amerikanische town majors, also sowas wie Quartiermeister, durch die Straßen gingen und sich die Häuser ansahen, befürchteten die Bewohner, nun müßten sie bald ihre Wohnungen räumen – was dann auch meistens geschah“, berichtet Professor Renate Meyer-Braun. Die Gegenstrategien der BremerInnen wurden allerdings schnell durchschaut: Einige BremerInnen bestückten ihre Häuser mit gefälschten „Off-limits“-Schildern – mit diesen Schildern kennzeichneten die Amerikaner Häuser, die nicht beschlagnahmt werden sollten. Andere versahen ihre Häuser mit Warnungen wie: „Achtung, hier sind die Masern!“

Hunger, Kälte und eine schwierige Wohnsituation, dafür machten viele BremerInnen die Besatzer verantwortlich. Zu einer Krise zwischen Senat und Militärregierung kam es deswegen im Mai 1947, berichtet Meyer-Braun. Der damalige Arbeits- und Wirtschaftssenator Hermann Wolters hatte in einer Rede die Besatzungsverwaltung scharf angegriffen; sie habe die katastrophale Ernährungslage in Bremen verursacht. Unter tosendem Beifall der 2.000 ZuhörerInnen forderte er, das Nürnberger Tribunal gegen die Menschenrechtsverletzungen der Nazis müsse für Sieger und Besiegte gleichermaßen gelten. Allzu leicht haben viele BremerInnen verdrängt, wer den Krieg begonnen und das Elend der Nachkriegszeit zu verantworten hatte.

Entrüstet waren viele BremerInnen auch darüber, daß ihr altehrwürdiges Rathaus den Amerikanern als Kneipe diente: Die untere Rathaushalle war jahrelang ein Bierlokal für die amerikanischen Soldaten, der Ratskeller wurde als Offizierskasino für Spiel und Tanz genutzt und für Deutsche gesperrt. Silberbestecke und Porzellan aus dem Rathaus verschwanden, weil es angeblich für Offiziersfeiern benötigt wurde. Die Übeltäter fanden sich jedoch schnell vor einem amerikanischen Militärgericht wieder; der Großteil des Inventars wurde zurückgegeben. Die Vegesacker übersetzten die Buchstaben USA zeitweise mit „Uhren stehlen sie auch“, so der Jahresbericht 1945/46 der amerikanischen Militärregierung: Die amerikanischen Soldaten hatten dort eigenmächtige Beschlagnahmungen durchgeführt.

Trotz dieser Belastungen entwickelte sich das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten freundschaftlich. Das Fraternisierungsverbot interessierte praktisch niemanden; bereits im Oktober 1945 wurde es offiziell aufgehoben, 1947 heirateten 117 deutsch-amerikanische Paare.

Insgesamt haben die BremerInnen von der „amerikanischen Enklave“ erheblich profitiert, meint Professor Karl-Marten Barfuß, Konrektor der Hochschule Bremen: Über die Bremischen Häfen liefen die Versorgungstransporte der amerikanisch besetzten Gebiete in Süddeutschland, von denen auch für die BremerInnen einiges abgefallen ist. Der Überschuß an Sand und Zement für den Wiederaufbau des Hafens wurde zum Wohnungsbau weiterverwendet. Allerdings vorrangig für Wohnungen der im Hafen Beschäftigten.

Die anderen beiden Nordsee-Häfen Hamburg und Rotterdam neideten den Bremern ihren Hafen-Boom. 1948 startete die Hamburger Presse eine Kampagne gegen eine vermutete „Dattelflut“ in Bremen: Die amerikanischen Behörden würden den Diebstahl von Nahrungsmitteln nicht scharf genug kontrollieren, weshalb ganz Bremen praktisch mit gestohlenen Datteln übersät sei. Elke Gundel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen