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Medienhaus mit Aussicht

■ Das „Lichthaus“ auf dem AG Weser-Gelände widmet sich Extrem-Performances, gehobener Gastronomie und Software-Firmen

Use Akschen 4, Gröpelingen, Hafengebiet, Schwertransporter brausen vorbei, kaum ein Passant verirrt sich hierher. Noch nicht. Denn große und größere Projekte sind in Planung in Bremens traditionellem Arbeiterviertel. Landes- und auch EU-Mittel fließen in die Sanierung einer Industrielandschaft, die seit Schließung der AG Weser brachliegt. Inmitten des unwirtlichen Geländes, zwischen Bahnanlagen und einer Ausfallstraße, steht das „Lichthaus“, das ehemalige Betriebsratsgebäude der AG Weser. Nach jahrelangem Leerstand versuchte vor zwei Jahren eine Künstlergruppe, das dreistöckige Gebäude mit der Glaskuppel wieder nutzbar zu machen – womit die Renaissance des Lichthauses begann: „Wir sind die Eltern des Lichthauses“, so Ursula van den Busch vom Bremer Verband Bildender Künstlerinnen & Künstler (BBK). Der Atelierhaus-Verein wurde gegründet. Schwerpunkt in der Lichthaus-Planung sollte die Bildende Kunst werden.

Nun sieht alles ganz anders aus. Kürzlich ging eine Extrem-Performance im Atrium des Hauses zu Ende; die rußigen Spuren von Feuer und Flamme sind auf dem rohen Betonboden noch zu sehen. Trompetenklänge schallen durchs Gebäude, die Trompetenakademie ist ins Lichthaus eingezogen.

Das Einmalige an der Architektur: die freie Sicht auf den Lichthof von den rundumlaufenden Balustraden aller drei Etagen. Über die künftige Nutzung des Lichthauses, das sich als „Ort für experimentelle Kunst, Wissenschaft und digitale Medien“ versteht, gibt es schon feste Vorstellungen. Vorausgesetzt, die Planung geht auf, sind Erdgeschoß und erste Etage, wo derzeit noch die Kabelschächte offenliegen und unverputzte Wände an den langen Leerstand erinnern, im Herbst dieses Jahres bezugsfertig. Das weitläufige Erdgeschoß steht für Installationen und Performances aller Art offen, und eine Etage drüber wird sich gehobene Gastronomie ansiedeln. Ein großzügiger Durchbruch soll dafür sorgen, daß die Restaurant-Gäste bei Rinderfilet und Burgunder gelegentlich einen Blick auf die Kunst im Ergeschoß werfen können. Erlebnisgastronomie der besonderen Art.

Statt, wie ursprünglich geplant, Gastateliers nun Kunst und Kommerz? „Das Lichthaus soll wohl kein weiterer Zuschußbetrieb Bremens werden“, erklärt sich Ursula van den Busch die neue Stoßrichtung. Denn die im zweiten Stock geplanten Ateliers kommen vorerst nur den Studierenden der Malerei-Meisterklasse Professor Thieles von der Hochschule für Künste zugute. Thiele will 40 Quadratmeter privat anmieten, weil an der HfK Räume knapp werden. Das oberste Stockwerk schließlich soll der kommerziellen Nutzung dienen: Dienstleister, die im weitesten Sinne im „Mediensektor“ arbeiten, sorgen für weitere Mieteinnahmen.

Denn die öffentlichen Mittel, die in die Reaktivierung des Lichthauses gesteckt werden, sind allesamt Sanierungsmittel, betont Peter Beier vom Atelierhaus-Verein. 5,2 Millionen Mark kommen von der „Stiftung Wohnliche Stadt“, eine zusätzliche halbe Million vom Bausenator. Beier kümmert sich ehrenamtlich um das Management des neuen Medienhauses; seine Kollegin Dodo Richter-Glück, selbst Künstlerin und ABM-Kraft, ist dafür zuständig, mit Künstlern und Sponsoren Kontakte aufzunehmen und zu halten. Kein leichtes Unterfangen, denn damit das Lichthaus überregional bekannt und besucht wird, bedarf es klingender Namen. Einen gibt es schon: Wolf Vostell hat Installationen unter dem Titel „Sara-Jevo – Drei Fluxus Pianos“ zugesagt. Sein Honorar wird interessanterweise über die Tourismusförderung bereitgestellt: Vostell fällt offensichtlich als Künstler und Wirtschaftfaktor ins Gewicht.

Ein Hafenfest ist ebenso geplant wie die Ausstellung des Bremer Medienkunstpreisträgers (zusammen mit dem Filmbüro Bremen) und der Meisterschüler der Hochschule für Künste. Streitbare medientheoretische Äußerungen werden etwa in Gesprächen mit Bazon Brock, Eva Meyer und Florian Rötzer erwartet. Große Namen trotz kleinem Budget? Peter Beier: „Wir hoffen, daß durch unsere fantastischen Räume Künstler kommen, die wir uns eigentlich nicht leisten können.“ Trotzdem: „Der Kontakt zu einheimischen Kulturschaffenden soll möglichst immer da sein“, versichert Dodo Richter-Glück.

Ihr konzeptionelles Vorbild ist die „Multimediale“ der Medienakademie Karlsruhe. Wie entsteht Realität? Wie reagieren wir künstlerisch angemessen auf eine immer stärker vernetzte Gesellschaft? Fragen, die sich die Lichthaus-Macher stellen. Ob die geplanten Projekte sie angemessen beantworten werden, ist ungewiß. Beim BBK kritisiert man jedenfalls eine gewisse Beliebigkeit im Programm. Doch vielleicht entspricht dem ja die bunte Mischung aus Kulinarik, Atelier, Extrem-Installation und Business im Obergeschoß: Die Zukunft des Lichthauses wird wohl (leider ist der Begriff nicht eben neu) – postmodern sein.

Alexander Musik

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