Sanssouci: Vorschlag
■ „Negrophobia“: D. James liest aus seinem widerlichen Roman
Über zehn Jahre hat der in New York lebende Darius James an seinem Buch „Negrophobia“ (deutsch im Maas Verlag) geschrieben. Das Ergebnis ist, wie er in einem Interview sagte, ein „widerlicher Roman“. Roman? Die Grenzen dieses Genres werden hemmungslos überschritten; formal betrachtet läßt sich „Negrophobia“ eher als Drehbuch bezeichnen. Drehbuch zu einem Film, den zu drehen kaum jemand wagen würde. Auf der Tonspur: „Todesquieken, reißendes Fleisch und knackende Knochen“. Eine andere Regieanweisung lautet: „Schwenk auf das Gewirr der zahllosen Reflexionen von Kerzen, Flammen und Fleisch im Spiegel und Zoom zu einem Close-up von Bubbles Fotze.“ So unterschiedliche Gattungen wie Comic, Sci-fi, Fantasy, Porno und Exploitation werden hier verquirlt, und für jeden ist etwas dabei.
„Negrophobia“ spielt irgendwo in „urban America“, durch das sich Protagonistin Bubbles Brazil bewegt, eine jugendkulturell hochgradig kodifizierte weiße Teenagerin. Sie wird von ihrer „Magd“ wegen rassistischer Sprüche mit einem Voodoo-Fluch belegt und rast fortan unter ständigem Einsatz jeweils vorhandener Drogen durch eine künstliche Zivilisation. Da gibt es kitschige Genreszenen mit einem Satyr, Messerstechereien mit rollerskatenden Ninjas und dergleichen. Beschrieben wird natürlich auf die drastischste Weise: parental advisory: contains explicit lyrics“.
Schnell wird deutlich, daß der angehäufte Schmutz Grundlage des Zusammenlebens von Weißen und Schwarzen ist. Und dies wiederum stellt das eigentliche Thema des Buches dar. Die Negrophobie beruht auf den Bildern, die sich die Weißen von den Schwarzen gemacht haben: die Minstrel-Shows, „Amos'n'Andy“, „Zehn kleine Negerlein“, der Sarotti-Mohr. Der Schwarze wird zum Phantasieprodukt des Weißen und steht sich selbst somit als seinem eigenen künstlichen Abbild gegenüber. Als Schwarzer in einer von Weißen dominierten Kultur zu leben, heißt nicht nur, dem alltäglichen Rassismus ausgesetzt zu sein, sondern auch mit dem Problem zu leben, daß man mit einem fremdbestimmten Selbstbild konfrontiert ist. Das große Theater der „Repräsentation“ im HipHop und im „black cinema“ bestimmt also auch das Buch von Darius James.
Das Interessanteste an einer Lesung von James dürfte sicherlich die Überprüfung der Frage sein, inwiefern sich die extreme Künstlichkeit des Buchs mit der Präsenz des Autors verträgt. Begleitet wird Darius James von Gunter Blank, der „Negrophobia“ ins Deutsche übersetzte. Martin Pesch
Lesung von Darius James. Heute, 22 Uhr im Friseur, Kronenstraße 3, Mitte.
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