: Irgendwas mit Indianern
■ Britta Steilmann rettet die Welt – mit Ökoklamotten und ganz viel Multimedia
Die schwarze Tänzerin steckt in einem hautengen Body aus blauer Seide. Auf dem Kopf trägt sie ein chaotisches Bündel aus Federn, Stoff und etwas, das wie Knochen aussieht. Mit schnellen, grazilen Bewegungen tanzt sie sich über die Bühne der Düsseldorfer Diskothek Stahlwerk – hin zum Lautsprecherturm, aus dem House- Beats krachen. An die Wände der Disco werden Fotos aus Indianerreservaten projiziert.
Abrupt bricht die Musik ab. Die Bühne ist jetzt in ein blaues Licht getaucht. Sanfte, schwebende Synthesizertöne kommen aus den Boxen, und plötzlich steht ein junger, hochgewachsener Indianer vorne auf der Bühne. Er beginnt synchron die Lippen zu bewegen, als aus den Lautsprechern eine leicht mit Hall unterlegte Stimme zu sprechen beginnt: „Wounded Knee – an important symbol for the Lakota and other Indian nations. No signs, no landmarks direct you to the place where on November 29 1890 the drunken and disillusioned 7th US-Cavalerie massacred the native peoples ...“ Es geht um das Blutbad in Wounded Knee, das die amerikanische Armee unter den Indianern anrichtete. Dann setzt ein schwerer Trance-Beat ein, die Videomonitore beginnen wieder zu flackern, und mit gemessenen Schritten betreten die anderen Akteure die Bühne. Über den House-Rhythmus legt sich ein indianischer Chor und etwas, das wie eine Panflöte klingt ...
Wem hier Erinnerungen an den Werbespot für die C&A-Young- Collection kommen, in dem zwei Teenager an einem indianischen Ritualtanz teilnehmen, liegt nicht falsch. Die Veranstaltung, die sich mit der Leidensgeschichte der „Native Americans“, der amerikanischen Indianer schmückt, ist eine Modenschau. Diese ist wiederum Teil eines „multimedialen Events“, eine Rave-Party mit angeschlossenem wissenschaftlichem Symposium. Oder umgekehrt: ein Symposium mit angeschlossenem Rave. Titel der Veranstaltung: „It's one world. Building up a new global society.“ Veranstalterin: die Wattenscheider Textilfabrikantin Britta Steilmann. Halt – habe ich da „Textilfabrikantin“ geschrieben? Nein, „Umweltaktivistin“ und „Designerin“ ist sie. So steht's im Presseheft. Außerdem ist Britta Steilmann die Tochter von Klaus Steilmann, Inhaber eines der größten Bekleidungskonzerne der Welt.
Nun ist die Textilindustrie einer der schlimmsten Umweltverschmutzer der Welt, das weiß man von der New York Times-Reporterin aus Robert Altmans „Prêt- à-porter“. Da macht es sich nicht schlecht, wenn man als UnternehmerIn ein wenig Ökobewußtsein zeigt und Umweltschutz praktiziert. Denn Image-Plus-Punkte schlagen sich langfristig auch im Umsatz nieder, das weiß Britta Steilmann, denn sie hat weder Textildesign noch Ökologie, sondern Marketing studiert.
Im vergangenen Jahr hat sie eine Modekollektion herausgebracht, die – ökologisch korrekt – aus ungefärbten Naturfasern und recycelten Materialien besteht und komplett kompostierbar ist. Der Abverkauf dieser Modelinie scheint noch nicht so recht zu laufen. Deswegen sind heute alle nach Düsseldorf gekommen: die Models, die Indianer, Discjockeys, Wissenschaftler, Choreographen, Club-of-Rome-Mitglieder, Raver und, nicht zu vergessen, wir von der Presse.
„Social Marketing“ nennt man das in der Werbebranche, wenn zum Beispiel Shell in zweiseitigen Vierfarbanzeigen auf sein soziales Engagement hinweist (Slogan: „Wir kümmern uns um mehr als Autos“), während das Unternehmen gleichzeitig Ölbohrinseln im Meer entsorgt. Oder wenn Britta Steilmann Lakota-Indianer aus den USA einfliegt, um ihre neue Ökokollektion zu präsentieren. In South Dakota hat Britta Steilmann mehrere Monate bei den Lakota gelebt und sponsert einen ökologischen Gartenbaubetrieb in ihrem Reservat.
„Tu Gutes und rede darüber“, heißt eine alte PR-Regel – für die finanzielle Unterstützung müssen sich die Gesponserten dann halt erkenntlich zeigen: Der ebenfalls von Steilmann gesponserte SC Wattenscheid trägt darum auf dem Leibchen das Firmenzeichen. Und für die Lakota war Jeffrey W. McDonald nach Deutschland gekommen, um am Vormittag vor dem Rave in Düsseldorf zu erzählen, wie schön das Leben im Reservat jetzt ist.
Im nobligen Swissotel hatte man – multimedial sozusagen! – ein Symposium organisiert, in dem über die Zukunft unseres Planeten nachgedacht werden sollte, „ein Forum für jeden, der jetzt die nachhaltig umweltverträglichen Wirtschaftsformen von morgen kennenlernen möchte und an Forschung, Erkenntnis und Austausch interessiert ist“, wie es in der Einladung hieß. Handverlesene Experten auf der Gästeliste: außer einigen Mitgliedern des Club of Rome zum Beispiel Werbefotograf Horst Wackerbart, Viva-Geschäftsführer Dieter Gorny und der selbsternannte „Trend-Experte“ Matthias Horx aus Hamburg.
Veranstaltet wurde das ganze „Event“ übrigens von der Kölner PR-Agentur MegaCult. Die haben im vergangenen Sommer Umweltbewußtsein bewiesen, als sie im Auftrag einer Zigarettenfirma über hundert Techno-Fans an einem Wochenende zu Diskotheken in Griechenland, Amsterdam und Köln flogen. Der „AirRave“ dürfte die energieintensivste Tanz
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veranstaltung des letzten Jahres gewesen sein. Dabei sei es „um Völkerverständigung gegangen“, grinst ein Agenturmitarbeiter, und das sei doch ein ehrenhaftes Anliegen.
Auch bei „It's one World“ hatte man an nichts gespart: Die Beleuchtung und Videoprojektionen erinnerten an ein Rockkonzert. Und Club-of-Rome-Mitglied Uwe Möller merkte mit kritischem Unterton an, daß er aus Umweltgründen mit dem Zug nach Düsseldorf gekommen, am Bahnhof aber mit einem Mercedes abgeholt worden sei.
Die Zukunft unseres Planeten blieb bei „It's one World“ trotz opulenter Beleuchtung weitgehend im dunkeln. Die ZuschauerInnen konnten aber zwei Erkenntnisse mit nach Hause nehmen.
Erstens: Gedankenarmut und schlechtes Deutsch halten niemanden davon ab, bei einem Werbesymposium wichtigtuerische Vorträge zu halten. Und zweitens: Der Club of Rome, der durch seine Studien zur Ökologie ein beträchtliches Renomee genießt, wird offenbar überschätzt. Nach dem, was die Mitglieder in Düsseldorf zur Vorstellung brachten, erscheint der Club eher als eine Ansammlung von Halbgebildeten, die bevorzugt Fensterreden halten. Zu diesem illustren Verein gehört übrigens (purer Zufall das) Brittas Vater Klaus Steilmann, der mit einem wirren Vortrag sein soziales Engagement als Unternehmer zu beschreiben versuchte.
Seine Kollegen überboten sich anschließend mit Platitüden über diesen, unseren Planeten. Einen Vormittag lang wurde da gewarnt, gemahnt und appelliert: an die Politik, an uns alle, an die Verantwortlichen, an die Jugend der Welt.
Einen „Dialog“ zwischen letzterer und dem Club of Rome sollte dieses Symposium übrigens auch gleich in Gang setzen. In der Praxis sah das so aus, daß die Lehrlinge der Steilmann AG nach Düsseldorf gekommen waren, nach den Vorträgen Fragen stellen durften und mit weiteren Binsenweisheiten abgespeist wurden: „Sie müssen erst mal sich selbst finden, wenn Sie etwas verändern wollen“, wurde ein Mädchen beschieden, das wissen wollte, wie man sich engagieren solle, wenn man kein Vertrauen in Politik und Kirche mehr habe.
Noch schlimmer kam es am Nachmittag: Smudo von der Stuttgarter Rap-Combo Die Fantastischen 4 sprach über Computernetzwerke, der Leichtathlet Egar Itt über Sportlerethik und Dieter Gorny über die „globale Welt“ der Medien. Was das alles miteinander zu tun hatte – keine Ahnung. Keiner konnte es erklären, schon gar nicht Moderator Roger Willemsen, der dafür zum Abschluß der Veranstaltung noch einen griffigen Satz prägte: Man müsse „die Wirklichkeit durch Konsum kontrollieren“. Weltverbesserung durch bewußtes Einkaufen: mit ökologisch abbaubaren Spülmitteln zum Beispiel, weißte, oder eben mit kompostierbaren Klamotten. Tilman Baumgärtel
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