■ 50 Prominente aus dem West-PEN wollen in den Ost-PEN: Schlechte Verlierer
Vor einer Woche war alles noch klar. Keine Vereinigung mit dem Ost-PEN unter den jetzigen Bedingungen, in denen sich dieser nicht unzweideutig und konsequent von der Staatsverstrickung des DDR- Zentrums, KGB-Kontakt inklusive, distanziert. Das war der Mehrheitsbeschluß der Jahresversammlung. Er zog den Rückzug des gesamten bisherigen West- PEN-Präsidiums nach sich, die Nomenklatura gab schmollend auf. In der Zwischenzeit gab es Medienschelte zuhauf, die Initiatoren des siegreichen Antrags wurden als Betonköpfe apostrophiert, und Jochen Laabs, der Generalsekretär des verschmähten Ost-PEN, sprach sogar von einer Halstein-Doktrin auf dem Gebiet der Literatur und vom Rückfall in den Kalten Krieg. Ein versierter Nachkriegsmensch, wie man sieht. Wie wir alle wissen, hatten wir es ja nicht mit der kommunistischen Diktatur, sondern mit dem Kalten Krieg zu tun.
Nun, nach einer meditativen Woche, ist alles schon wieder anders. Klaus Staeck, Plakatkünstler und Hoffnungsträger der siebziger Jahre, die nicht enden wollen, obwohl der Lack längst ab ist, hat eine Initiative zusammengefaxt. 50 Promis für den Ost-PEN. Schriftsteller und Essayisten, wie es heißt. Wie weit das Feld des Essays ist, bezeugen die Namen: Manfred Bissinger, Hildegard Hamm-Brücher und Ulrich Wickert, „Tagesthemen“. Sie wollen in einem Solidaritätsakt dem Ost-PEN durch Doppelmitgliedschaft, assoziierte Mitgliedschaft mit beratender Stimme, beitreten. Große Namen versprechen große Publizität. Walter Jens ist dabei und Marion Gräfin Dönhoff, Günter Grass, Günter Gaus, Franz-Josef Degenhardt und Peter Rühmkorf. So weit, so gut. Aber unterläuft die Initiative nicht den Mehrheitsbeschluß der Jahresversammlung des West-PEN? Oder sind Mehrheitsbeschlüsse für Promis nicht bindend?
Geht man die Namensliste durch, fällt noch eine Kleinigkeit auf. Etwa die Hälfte der Unterzeichner war zur Jahresversammlung gar nicht erschienen. Weder Grass noch Jens, noch Rühmkorf. Auch Frau Dönhoff nicht. Wären sie dagewesen, hätten sie nicht nur zur Debatte beitragen können, sondern auch die Statistik der Abstimmung verändert. Dem Vereinsleben hätte es genützt. So aber kann ich nur sagen: Viel Spaß im Ost-PEN. Mit dem Kollegen Harry Thürk, beispielsweise, Autor des Romans „Der Gaukler“. Hauptheld: Alexander Solschenizyn. Thema: Verarschung des damals unter Hausarrest stehenden Autors. Und viel Spaß auch mit den Kollegen, die seinerzeit auf einem Kongreß des Internationalen PEN meinten, Andrej Sacharow brauche nicht zu reisen, auch zur ärztlichen Behandlung nicht. Die Krankenhäuser der Sowjetunion seien bestens ausgestattet. Ob der KGB was davon wußte? Richard Wagner, Schriftsteller und Mitglied
des West-PEN
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