: Einem Diktator zerbröselt sein Staat
Zaires Präsident Mobutu will sich bald „demokratisch“ wählen lassen – doch die Wahlvorbereitung spaltet das Land / Unmut über ruandische Flüchtlinge und Sezessionsdrohungen ■ Von François Misser
Brüssel (taz) – Ursprünglich hatte Zaires Präsident Mobutu es sich ganz einfach vorgestellt. Am 9. Juli dieses Jahres, so beschloß es das zairische Übergangsparlament am 9. April, sollten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie ein Verfassungsreferendum stattfinden, um die bisherige „Übergangsperiode zur Demokratie“ zu beenden und Mobutu endgültig den Anschein eines Demokraten zu verleihen.
Dazu wird es wohl nicht kommen. Wie Premierminister Kendo wa Dondo unlängst zugab, kann der Termin 9. Juli nicht eingehalten werden. Der Grund: Verzögerungen bei der Wahlvorbereitung sowie wachsender Unmut in den Provinzen.
Erst Anfang Mai beschloß das Übergangsparlament überhaupt die Bildung einer 44köpfigen Wahlkommission. Sie soll zu gleichen Teilen aus Anhängern Präsident Mobutus und Oppositionspolitikern bestehen. Das ist schwierig, da nicht klar ist, ob die „Union der Republikaner und Demokraten“ (URD) des Premierministers zur Mobutu-Seite oder zur Opposition gehört: Die Mobutu- Freunde wollen die Premierminister-Partei mit auf die Oppositionsbank setzen, so daß die Radikalen um Etienne Tshisekedi Sitze abgeben müßten; die Tshisekedi- Anhänger wollen umgekehrt die URD auf Regierungsseite sehen, um Mobutu zu schwächen.
Sollte dieses Problem je gelöst werden, kommt gleich das zweite: das Geld. Der ganze Wahlprozeß aus Volkszählung, Wählerregistrierung, Stimmenabgabe und Auszählung kostet, so schätzt die Regierung, 500 Millionen Dollar, wovon die Regierung nur 80 Millionen aufbringen kann. Bisher hat sich nur die EU zu einer Wahlhilfe bereit erklärt, ohne jedoch eine Summe zu nennen. Die Geldgeber glauben offenbar nicht an einen glatten Wahlablauf.
Wahlverschiebung, bis die Flüchtlinge weg sind?
Erste Spannungen sind bereits in der Ostprovinz Kivu aufgetreten, wo die Städte Goma und Bukavu mit ihren gigantischen Ansammlungen ruandischer Flüchtlinge liegen. Die Flüchtlingslager sind Staaten im Staate, mit Armee, Repressionsapparat und internationaler Hilfe. Die ursprünglichen Bewohner dieser Region fürchten, daß Mobutu die Ruander massenweise auf die Wahllisten setzen läßt und daß die dann aus Dankbarkeit für den Diktator stimmen. Spannungen zwischen Zairern und ruandischen Migranten sind in Kivu Tradition – schon 1993 gab es bei Auseinandersetzungen mehrere tausend Tote.
Beobachter folgern daraus, daß entweder in Kivu keine Wahlen stattfinden können oder daß die gesamte Wahl bis nach einer Rückkehr der Flüchtlinge nach Ruanda verschoben wird. Im letzteren Falle, der nach den jüngsten Äußerungen des Premierministers sowieso so gut wie feststeht, müßte Zaires Übergangsparlament seinen Beschluß, die „Übergangsperiode“ und damit die Amtszeit der Regierung Kengo am 9. Juli zu beenden, annullieren.
Die radikale Opposition fordert für diesen Fall, daß ihr Anführer Etienne Tshisekedi nach dem 9. Juli den Posten des Premierministers Kengo übernimmt. Der will aber lieber selbst im Amt bleiben. Und die Perspektive einer Wahlverschiebung führt wiederum in Zaires Südprovinz Katanga zu Problemen, wo die „Union der Föderalisten und unabhängigen Republikaner“ (Uferi) des Gouverneurs Gabriel Kyungu wa Kumwanza gedroht hat, Zaires Regierung gar nicht mehr anzuerkennen, falls die Wahlen nicht zum vorgesehenen Termin stattfinden.
Die Uferi möchte Zaire nach den Wahlen in einen Bundesstaat verwandeln, in dem jede Provinz ihre eigenen Reichtümer kontrolliert. Der Grund: Katanga ist mit seinen Bodenschätzen bei weitem die reichste Provinz Zaires und will den Rest des Landes nicht subventionieren. Schon seit 1991 haben Anhänger des Gouverneurs bereits Hunderttausende Menschen aus Katanga vertrieben, die einst aus anderen Landesteilen eingewandert waren.
Der Streit zwischen Katanga und der Zentralgewalt heizte sich Ende März auf, als die Zentralregierung Gouverneur Kyungu wegen angeblichen Waffenschmuggels unter Hausarrest in Kinshasa stellen ließ. Anfang April eröffneten Soldaten das Feuer auf Uferi- Aktivisten in der südzairischen Metropole Lubumbashi. Als Reaktion rief die Partei den Generalstreik aus, woraufhin die Armee Panzer auffuhr. Am 21. April erklärte die Uferi, sie erkenne die zairische Regierung nicht mehr an, und rief die Bevölkerung zum Boykott der neuesten zairischen Geldscheine auf. Kyungu, der am 2. Mai nach Katanga zurückkehren durfte, hat nun zur Ruhe aufgerufen, aber er wird seine Anhänger nur schwer bändigen können.
So schreitet der Zerfall Zaires – dessen Landesteile wegen des schlechten Zustands der Straßen ohnehin oft nur noch auf dem Luftweg miteinander verbunden sind – immer weiter voran. Da ohnehin kaum anzunehmen ist, daß die Mafiosi um Mobutu, die sich systematisch auf Kosten des Landes bereichert haben, eine wirkliche Demokratisierung zulassen, bedarf es einiger Phantasie, wirklich an Wahlen in Zaire zu glauben.
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